Haynald, Ludwig (1816-1891), Kardinal

Haynald Ludwig, Kardinal. * Szécsény (Kom. Nógrád, Ungarn), 3. 10. 1816; † Kalocsa, 4. 7. 1891. 1839 Priesterweihe; absolv. seine weiteren Stud. am Frintaneum in Wien, 1840 Dr. theol. Nach zehnjähriger Lehrtätigkeit an der theolog. Lehranstalt zu Gran 1851 zunächst Koadjutor, 1852 Bischof von Karlsburg am Maros in Siebenbürgen, bemühte sich um die Hebung der kirchlichen Disziplin und des Volksunterrichtes. Da Siebenbürgen seit 1848 administrativ von Ungarn getrennt war, kämpfte H. in Wort und Schrift für die engere Angliederung Siebenbürgens an Ungarn. Dadurch. zog er sich das Mißfallen der Wr. Regierungsstellen zu, was 1861 die Resignation auf sein Bistum zur Folge hatte. Lebte dann einige Zeit in Rom, aber in der geänderten polit. Konstellation nach 1867 erfolgte als ein Akt der Wiedergutmachung seine Ernennung zum Erzbischof von Kalocsa. Auf dem Vatikan. Konzil 1869/70 spielte er als führendes Mitgl. der sogenannten Minderheitsbischöfe eine große Rolle. Sowohl in den Spezialdebatten wie in der Generalkomm. glänzte er als gewandter Redner, der ein flüssiges, klass. Latein sprach und hervorragende kirchengeschichtliche Kenntnisse zeigte. Die Definition der päpstlichen Infallibilität bekämpfte er nicht nur als unzeitgemäß, sondern auch prinzipiell. Von der Erklärung der allgemeinen bischöflichen Jurisdiktion des Papstes über die Gesamtkirche fürchtete er eine Herabwürdigung der Bischöfe zu bloßen apost. Vikaren, und das Dogma der persönlichen päpstlichen Unfehlbarkeit fand er in Schrift und Geschichte zu wenig begründet. Daher erwog er mit einigen französ. Prälaten, auch die weltlichen Regierungen gegen die geplante Definition zu mobilisieren und schlug vor, in der letzten feierlichen Sitzung das „Nein“ zu wiederholen und auch die nachherige Zustimmung zu verweigern. Damit drang er allerdings nicht durch. Seine Haltung zog ihm das Mißfallen des Papstes zu, der ihn gelegentlich eines Zusammentreffens während des Konzils in Rom auffällig ignorierte. Auf ein Schreiben des Kardinalstaatssekretärs Antonelli vom 7. 6. 1871 erklärte er seinen Beitritt zu den Konzilsbeschlüssen, ohne dieselben aber in seiner Diözese zu promulgieren. H.s Ernennung zum Kardinal (1879) erfolgte wahrscheinlich im Zuge der innerkirchlichen Versöhnungspolitik Leos XIII. H. spielte eine führende Rolle im Magnatenhaus und in den österr.-ung. Delegationen, denen er zeitweilig präsidierte. Auf dem Konzil hatte er sich auch für eine Verbesserung des Brevieres unter Ausmerzung geschichtlicher Unrichtigkeiten eingesetzt und sich gegen einen von Rom geplanten Einheitskatechismus gewandt. Seine großen Einkünfte verwandte er zur Gründung von Schulen, religiösen Anstalten und für Kunst und Wiss. Von Jugend an naturwiss. interessiert, legte er eine reichhaltige botan. Smlg. an und schrieb auch einige kleinere botan. Arbeiten (Botanikerbiographien, Verbreitung von Castanea in Ungarn etc.); am Gymn. in Kalocsa gründete er 1879 eine Sternwarte, zu deren Sicherung er 1889 einen Fonds stiftete. Der klass. Stil seiner Hirtenschreiben und seiner Reden machte ihn zu einer Zierde der ungar. Literatur. H. ist in seiner betont nationalen Haltung und seiner ausgeprägten Vertretung eines gemäßigten Episkopalsystems gegenüber einem kirchlichen Zentralismus einer der profiliertesten Repräsentanten des ung. Episkopates des 19. Jhs.

W.: Epistolae pastorales, 1852; etc.
L.: Österr. Botan. Z. 13, 1863, S. 1–7; A. Kanitz, H. L. bibornok mint botanikus, 1890 (ursprünglich in: Ung. Revue 10, 1890, n. 1); Pharmaceut. Post 1891, S. 537–41; Astronom. Nachrichten 128, 1891, S. 15 f.; Leopoldina 27, 1891, S. 165–70, 180–84; Nature 44, 1891, S. 256; Revue mycol. 13, 1891, S. 206 f.; Verh. der zoolog.-botan. Ges. in Wien 41, 1891, S. 785–90; Verh. des Botan. Ver. für die Provinz Brandenburg 18, 187, S. 135–37, 34, 1893, S. L–LVl; Akadémiai Értesitö 2, 1891, S. 656–63, 681, 5, 1894, S. 5–21; Természettudományi Közlöny 24, 1892, S. 642 f.; Kalocsai érs. fögimn. értesitö 1914/15, S. 3–43, 1916/17, S. 3–65; Gombócz, Geschichte; Das geistige Ungarn; W. Fraknoi, Gedenkrede in der Ung. Akad. d. Wiss., 1893; Th. Granderath, Geschichte des Vatikan. Konzils, 3 Bde., 1903–06; C. Wolfsgruber, Kirchengeschichte Österr.-Ungarns, 1909; J. Schmidlin, Papstgeschichte der neuesten Zeit, Bd. 2, 1934; Szinnyei 4; Révai 9; Gams; Wurzbach; Poggendortf 4.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 8, 1958), S. 227f.
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