Hellmesberger, Josef d. Ä. (1828–1893), Violinist, Geigenlehrer und Dirigent

Hellmesberger Josef d. Ä., Violinist, Geigenlehrer und Dirigent. Geb. Wien, 3. 11. 1828; gest. ebd., 24. 10. 1893. Sohn von →Georg Hellmesberger d. Ä. und dessen späterer Ehefrau Anna, geb. Mayerhofer, Bruder von →Georg Hellmesberger d. J., Vater von →Josef Hellmesberger d. J., →Ferdinand Hellmesberger und den Schauspielerinnen Rosita Hellmesberger (geb. Wien, 1856) und Emilie Hellmesberger (geb. Wien, 1870); ab 1851 mit Rosa Hellmesberger, geb. Anschütz, verheiratet. – Seine musikalische Ausbildung erhielt H., ebenso wie sein Bruder, durch seinen Vater. 1839 erfolgten erste öffentliche Auftritte und ab 1841 lassen sich gemeinsame Auftritte mit Georg nachvollziehen. Die Brüder Hellmesberger fanden breite Anerkennung und entwickelten sich zu einer Art Wiener Modeerscheinung. In Begleitung des Vaters unternahmen sie 1847 eine erfolgreiche Konzertreise nach Deutschland und England. Während sich Georg Hellmesberger fortan auf die Komposition konzentrierte und schließlich in Hannover zum Königlichen Hofkapellmeister ernannt wurde, trat H. vornehmlich als Solist in Erscheinung. In über fünf Jahrzehnten künstlerischer Tätigkeit erwarb er sich ein Renommee als Geiger, das – bedingt durch die Konzentration auf seine Heimatstadt – von stark regionaler Prägung war. 1849 gründete er mit Matthias Durst (Violine), Carl Heissler (Viola) und →Karl Schlesinger (Violoncello) das Hellmesberger-Quartett. Anders als die Quartettsoireen seines Vaters fanden die Auftritte des jüngeren Ensembles mit der Verlagerung in (öffentliche) Wiener Konzerträumlichkeiten eine breitere Zuhörerschaft. Als Primarius gehörte H. dem Quartett bis 1887 an und nahm hierüber essenziellen Einfluss auf die Wiener Kammermusiktradition in der Nachfolge des Schuppanzigh-Quartetts als erstem öffentlich konzertierenden Kammermusikensemble der Donaumetropole. Große Beachtung schenkte die Presse dem vielfältigen Repertoire, das sich neben einer Fülle bekannter Werke von Haydn, Mozart, →Ludwig van Beethoven und →Franz Schubert durch das Engagement für zeitgenössische Kompositionen, etwa von →Anton Bruckner, →Robert Volkmann, Anton Rubinstein und →Gustav Nottebohm, auszeichnete, ablesbar nicht zuletzt auch an einer umfangreichen Liste von Uraufführungen sowie Wiener Erstaufführungen. Ab 1851 artistischer Direktor der Gesellschaft der Musikfreunde, übernahm H. zum einen die Leitung der Gesellschaftskonzerte, zum anderen stand er als Direktor dem von der Gesellschaft getragenen Konservatorium vor, an dem er zugleich eine Professur für Violine übernommen hatte. Als Lehrer führte er die Tradition der neueren Wiener Geigenschule fort, die sich v. a. in der Nachfolge →Josef Böhms konstituierte. Zu seinen renommierten Schülern zählten u. a. →Leopold Auer, →Josef Bayer, Adolf Brodsky, Josef Maxintsak und →Arthur Nikisch. Auch Geigerinnen besuchten seine Klasse, darunter Franziska Schön, Ludmilla Weiser, Eugenie Epstein sowie Helene und Natalie Lechner. Mit einer Neuordnung der Ämter in der Gesellschaft der Musikfreunde wurde die Leitung der Gesellschaftskonzerte 1859 →Johann von Herbeck zugesprochen. Direktor des Konservatoriums blieb H. jedoch noch bis 1893. Des Weiteren wurde er 1860 zum Konzertmeister des Hofopernorchesters ernannt, 1863 wurde er erster Violinist der Hofkapelle. Interimistisch übernahm er 1870 die Leitung des Singvereins der Gesellschaft der Musikfreunde. 1876 folgte die Ernennung zum Vizehofkapellmeister und mit dem Tod Herbecks 1877 jene zum Hofkapellmeister. Der überbordenden Menge der Aufgaben begegnete H. schließlich, indem er nach dem Studienjahr 1878/79 seine Professur am Konservatorium niederlegte, ohne aber von seinem Amt als Konservatoriumsdirektor zurückzutreten. Chronische Schmerzen in der Hand führten 1887/88 dazu, dass H. das Violinspiel aufgab. Allein die Tätigkeit als Konservatoriumsdirektor sowie als Dirigent der Hofkapelle verfolgte er bis kurz vor seinen Tod.

L.: Prager Morgenpost, 10., 13. 7. 1858; Der Zwischen-Akt, 2. 2. 1860; Czeike; Eisenberg 1; Grove, 1980, 2001; MGG I, II; Wurzbach; Wiener allgemeine Musik-Zeitung 7, 1847, S. 243f.; Blätter für Musik, Theater und Kunst 6, 1860, S. 38; E. Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien 1–2, 1869–70, s. Reg.; Musikalisches Wochenblatt 1, 1870, S. 708ff. (mit Bild); J. H., 1877 (mit Bild); A. Ehrlich, Berühmte Geiger der Vergangenheit und Gegenwart, 1893 (mit Bild); Vom alten H. Komische Aussprüche und Anekdoten, ed. A. Barthlmé, 1908 (mit Bild); A. Gutmann, Aus dem Wiener Musikleben 1, 1914, S. 45ff. (mit Bild); R. Tenschert, Vater H. Ein Kapitel Wiener Musikerhumor, 1947 (mit Bildern); Ch. Merlin, Die Wiener Philharmoniker 2, 2017; Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Wien.
(A. Babbe)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)