Hermann-Otavský (Herrmann von Otavsky), Karel Edler (1866–1939), Jurist

Hermann-Otavský (Herrmann von Otavsky Edler) Karel, Jurist. Geb. Schwarzkosteletz, Böhmen (Kostelec nad Černými Lesy, CZ), 2. 5. 1866; gest. Tschernositz, Böhmen (Černošice, CZ), 4. 9. 1939; röm.-kath. Sohn des Bezirkshauptmanns von Karolinenthal Karl Herrmann und von dessen Frau Anna, Vater der beiden Dr. iur. Karel Hermann-Otavský (geb. 14. 3. 1903) und Emanuel Hermann-Otavský (geb. 23. 3. 1911); ab 1878 verheiratet mit Ida Hermann-Otavský, der Nichte von →Leopold Heyrovský. – H. besuchte das Gymnasium in Schlan, Pisek und in Prag, wo er auch maturierte. Nach dem Studium an der tschechischen Universität wurde er 1889 sub auspiciis Imperatoris zum Dr. iur. promoviert. In der Folge absolvierte er einen zweisemestrigen Studienaufenthalt an der Universität Berlin. Dort besuchte er Vorlesungen von Levin Goldschmidt und hörte Rechtsphilosophie und vergleichende Rechtswissenschaft bei Josef Kohler sowie Zivilrecht bei Ernst Eck. In Berlin verfasste er auch seinen ersten Fachaufsatz „Příspěvek k nauce o převodu práva cenných papírů na jméno znějících“ (in: Právník 30, 1891). Nach seiner Rückkehr trat er in den Gerichtsdienst ein, wo er acht Jahre tätig war. Mit der Arbeit „O právní povaze rektapapírů“ habilitierte er sich 1892 an der Prager tschechischen Universität in Handels- und Wechselrecht; 1897 ao., 1905 o. Professor, 1905/06 und 1922/23 Dekan (während letzterer Funktionsperiode Einberufung eines Komitees für den Bau der juridischen Fakultät), 1918 erster Rektor der Prager tschechischen Universität in der neu entstandenen Tschechoslowakei. 1898 wurde H. Mitglied der Justizprüfungskommission und fungierte auch als deren Vorsitzender, weiters war er Mitglied der rechtshistorischen Kommission, der Prüfungskommission für Richteranwärter am Obergericht sowie ao. Mitglied des Patentamts. H. widmete sich in seinen wissenschaftlichen Arbeiten v. a. der Wertpapierproblematik und dem Wechselrecht, zu Letzterem verfasste er das Lehrbuch „Právo směnečné“ (1908, Neuaufl. 1919 und 1926). Ferner setzte er sich mit den Rechten an immateriellen Gütern auseinander, etwa in „Obchodní závod a práva ke statkům nehmotným“ (in: Sborník věd právních a státních 4, 1903–04). Für die Arbeiten H.s ist seine Beziehung zum Werk →Antonín von Randas von Bedeutung, wobei er das Handelsrecht breiter als Randa auffasste. Er beschäftigte sich auch mit dem Versicherungsrecht, dessen Grundbegriffe und -probleme er in „Soukromé pojišťovací právo československé ...“ (1921) definierte. Mit „O obchodech podle čtvrté knihy všeobecného zákona obchodního“ (1925, 3. Aufl. 1930) ergänzte er Randas System des Handelsrechts, verzichtete jedoch dabei auf eine synoptische Auslegung von Vorschriften zu Handelsgesellschaften und erklärte die Problematik jedes Typs von Handelsgesellschaften. Seine kommentierte Ausgabe des allgemeinen Handelsgesetzbuchs „Všeobecný zákoník obchodní a pozdější normy obchodního práva v zemích historických“ (2 Tle., 1929) war sowohl für die Rechtswissenschaft als auch für die Rechtspraxis von großer Bedeutung. H. verfasste damit den ersten tschechischen Kommentar zu handelsrechtlichen Vorschriften. Ab 1918 vertrat er den jungen tschechoslowakischen Staat auf internationalen Konferenzen und Kongressen, 1920 etwa in Paris bei den Verhandlungen über die Konvention mit Frankreich bezüglich der Fragen von Vermögen, Rechten und Beteiligungen. 1925 nahm er an der Konferenz der Internationalen Union zum Schutz des Gewerbevermögens in Den Haag teil, 1928 an der Konferenz der Internationalen Union zum Schutz literarischer und künstlerischer Werke in Rom. 1924 wurde er vom Völkerbund aufgefordert, sich an einer Umfrage über den internationalen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb zu beteiligen. 1933 vertrat er sein Land als nationaler Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag. H. beteiligte sich auch aktiv an der Ausarbeitung von nationalen Gesetzen der Tschechoslowakei (z. B. Gesetze zum Frachtvertrag, zur Flussschifffahrt, zum Urheberrecht, gegen unlauteren Wettbewerb) sowie an der Vorbereitung der neuen Handelsrechtskodifizierung, die eine Vereinheitlichung der Vorschriften auf diesem Gebiet zum Ziel hatte. H. war Mitglied des Juristenverbands Právnická jednota (bis 1922 Vorsitzender) sowie Redakteur von dessen Organ „Právník“, Ehrenmitglied und Vorsitzender des Verbands Jednota pro vědy pojistné sowie Vorsitzender der tschechoslowakischen Abteilung der Association littéraire et artistique internationale in Paris.

L.: B. Andres u. a., Kniha o K. H.-O., 1936; ders., in: Právník 78, 1939; Antologie české právní vědy, ed. P. Skřejpková – L. Soukup, 1993, S. 123ff.; Český biografický slovník XX. století 1, ed. J. Tomeš, 1999; Antologie československé právní vědy v meziválečném období (1918–1938), ed. P. Skřejpková, 2009, S. 238ff.; UA, Praha, CZ.
(P. Skřejpková)  
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2015  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)