Hoffmann, Camill (1878–1944), Schriftsteller, Journalist und Diplomat

Hoffmann Camill, Schriftsteller, Journalist und Diplomat. Geb. Kolin, Böhmen (Kolín, CZ), 31. 10. 1878 (nicht 1879); gest. KZ Auschwitz, Deutsches Reich (PL), 28. 10. 1944; mos. Zwölftes Kind des Gastwirts Isaak Hoffmann und seiner Frau Teresa Hoffmann, geb. Doktor, Vater von Edith Hoffmann, verheiratete Yapou (geb. 1907), Kunsthistorikerin in Jerusalem und Verfasserin einer Monographie über Oskar Kokoschka, und Hans Hoffmann (geb. 1910), die in Großbritannien überlebten; 1904 Heirat mit Irma Oplatka, der Tochter seiner älteren Schwester Jenny Hoffmann, verheiratete Oplatka. – H. sprach Tschechisch und Deutsch, absolvierte das Stephansgymnasium sowie die deutsche Handelsakademie in Prag und publizierte erste Gedichte. 1900 übersiedelte er nach Wien und war ab 1902 Feuilletonredakteur der „Zeit“. Er pflegte Kontakte zu →Hugo Hofmann von Hofmannsthal, Stefan Zweig, Felix Braun, Viktor Fleischer und Max Mell. 1902 bzw. 1910 erfolgte die Publikation der Gedichtbände „Adagio stiller Abende“ und „Die Vase. Neue Gedichte“. 1912 ging H. als Redakteur der „Dresdner Neuesten Nachrichten“ nach Dresden, vermittelt von seinem Freund, dem Verleger Jakob Hegner. 1912 und 1913 edierte er die Anthologien „Deutsche Lyrik aus Österreich seit Grillparzer“ und „Briefe der Liebe“. Im 1. Weltkrieg wurde er vom Kriegsdienst befreit. 1918 erfolgte seine Entlassung als Redakteur, nachdem er sich mit den streikenden Arbeitern solidarisiert hatte. Er publizierte in Franz Pfemferts „Die Aktion“, in der „Vossischen Zeitung“, der „Neuen Freien Presse“, dem „Prager Tagblatt“ und der „Schaubühne“. Nachdem H. 1919 nach Prag gezogen war, wurde er Mitglied der sozialdemokratischen Partei und zeichnete verantwortlich für die Konzipierung des Regierungsblatts „Prager Presse“. 1920–33 leitete er die Presseabteilung der tschechoslowakischen Gesandtschaft in Berlin. H., der mit Berthold Viertel, →Robert Musil und Hermann Ungar befreundet war, gehörte nicht der jüdischen Gemeinde an und sah sich selbst als Freidenker. Er übersetzte Werke von →Thomas (Garrigue) Masaryk („Die Weltrevolution“, 1925), Edvard Beneš („Der Aufstand der Nationen“, 1928), →Karel Čapek („Masaryk erzählt sein Leben. Gespräche mit Karel Čapek“, 1937) und →Kamil Krofta („Geschichte der Tschechoslowakei“, 1932) aus dem Tschechischen sowie von Charles Baudelaire („Gedichte in Vers und Prosa“, 1902, zusammen mit Stefan Zweig; „Gedichte in Prosa“, 1914) und Honoré de Balzac („Weibliche Logik“, 1921; „Kleine Leiden des Ehestandes“, 1922) aus dem Französischen. Ab 1933 half er Schriftstellern bei der Flucht nach Prag und rettete die Bibliotheken von Heinrich Mann, Walter Mehring und Georg Bernhard. Im Jänner 1939 kehrte er nach Prag zurück. Sein Bemühen, für ausländische Blätter zu schreiben, scheiterte. Im April 1942 wurde H. mit seiner Frau nach Theresienstadt deportiert, wo er Vorträge hielt und auch Gedichte schrieb, die posthum in den Anthologien „An den Wind geschrieben“ (ed. Manfred Schlösser, 1960), „Welch Wort in die Kälte gerufen“ (ed. Heinz Seydel, 1968) und „In welcher Sprache träumen Sie“ (2007) veröffentlicht wurden.

Weitere W. (s. auch Polák): Zuflucht. Späte Gedichte und Erzählungen, ed. D. Sudhoff, 1990 (mit Bild); Politisches Tagebuch 1932–1939, ed. ders., 1995.
L.: Bolbecher–Kaiser (mit Bild); Hall–Renner; Killy; J. Serke, Böhmische Dörfer, 1987, S. 218, 229; D. Sudhoff, in: Brennpunkt Berlin. Prager Schriftsteller in der deutschen Metropole, ed. H. Binder, 1995, S. 101ff.; P. Polák, C. H. Eine Biographie, phil. DA Praha, 2006 (mit Bild und W.).
(E. Adunka)   
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2015  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 9, 1959), S. 376
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