Hoffmann (Hofmann), Josef Franz Maria (1870–1956), Architekt und Kunsthandwerker

Hoffmann (Hofmann) Josef Franz Maria, Architekt und Kunsthandwerker. Geb. Pirnitz, Mähren (Brtnice, CZ), 15. 12. 1870; gest. Wien, 7. 5. 1956 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); röm.-kath., ab 1903 evang. HB. Sohn des Bürgermeisters von Pirnitz und Teilhaber der fürstlich Collalto’schen Kattunfabrik Josef Hofmann (1835–1903) und von Leopoldine Hofmann, geb. Tup(p)y (1846–1906), Vater des Architekten Wolfgang Hoffmann (1900–1969); 1903–22 in 1. Ehe mit Anna Hladik (1880–1956), ab 1925 in 2. Ehe mit dem Mannequin der Wiener Werkstätte Carla Caroline (Karla Karoline) Schmatz (1894–1980) verheiratet. – H. besuchte nach dem Gymnasium in Iglau 1887–91 gemeinsam mit →Adolf Loos, →Leopold Bauer und →Hubert Gessner die deutsche Staats-Gewerbeschule in Brünn bei →Germano Wanderley und absolvierte 1891 ein Praktikum im Militärbauamt in Würzburg. 1892–95 studierte er mit →Josef Maria Olbrich bei →Carl Freiherr von Hasenauer und nach dessen Tod 1894 bei →Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er auch →Koloman (Kolo) Moser kennenlernte. Zum Abschluss seines Studiums erhielt H. den Rompreis und verbrachte die Jahre 1895–96 in Italien. Nach seiner Rückkehr arbeitete er 1897 im Atelier Wagners am Stadtbahnprojekt mit und publizierte Reiseskizzen sowie erste Entwürfe in der Zeitschrift „Der Architekt“. Ab 1898 war H. selbstständig als Architekt und Designer in Wien tätig. Waren seine frühen Entwürfe noch einer späthistoristischen Ausrichtung verpflichtet (Theater in Pilsen, 1896; Landhaus Wittgenstein im niederösterreichischen Hohenberg, 1899), wandte er sich unter dem Einfluss Wagners bald einer neuen, zweckorientierten Architektur zu (Sanatorium in Purkersdorf bei Wien, 1904–06). Süditalienische kubische Häuser mit flachen Dächern spielten in seinem Frühwerk eine wichtige Rolle. Mit Olbrich, Moser und weiteren Studienkollegen gründete H. Mitte der 1890er-Jahre den Siebener-Club, der die Keimzelle der frühen Wiener Moderne werden sollte. Durch dieses Engagement für das zeitgenössische Kunstgeschehen sensibilisiert, gehörte H. zu jener Gruppe, welche mit der konservativen Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus) brach und 1897 die Wiener Secession ins Leben rief. H. arbeitete an deren Zeitschrift „Ver Sacrum“ mit und gestaltete Ausstellungsräume für die Secession (u. a. die Beethoven-Ausstellung 1902). Er entsprach wie kein anderer dem secessionistischen Ideal des „Raumkünstlers“. Während dieser Zeit entwickelte sich sein Stil von der Kurvenlinearität zu der für ihn charakteristischen orthogonal strukturierten Formensprache, die ihm den Spitznamen „Quadratl-Hoffmann“ einbrachte. 1899–1937 wirkte er als Professor für Architektur an der Kunstgewerbeschule und prägte ganze Generationen von Schülern, darunter Carl Witzmann, →Otto Prutscher, Eduard Wimmer-Wisgrill, Emanuel Josef Margold, Oswald Haerdtl und Fritz Zeymer. Seine Abteilung widmete sich allen Zweigen der Dekoration, dem Modewesen und sogar der Emailmalerei und wurde zum künstlerischen Zentrum der Schule. Sein Hauptinteresse galt zunehmend dem Kunstgewerbe, der Innendekoration und dem Design. Schon bald gehörte H. zu den herausragenden Innenraumgestaltern und Ausstellungsarchitekten der Wiener Jahrhundertwende. 1903 gründete er gemeinsam mit Moser und →Fritz Waerndorfer die Wiener Werkstätte. Obwohl auch zahlreiche andere Künstler großen Anteil hatten, prägte H. nahezu 30 Jahre lang als künstlerischer Leiter die Produktion von Kunstgegenständen und Inneneinrichtungen der Wiener Werkstätte. Den großen Triumph auf internationalen Ausstellungen (u. a. St. Louis 1904, Buenos Aires 1909, Rom 1911, Leipzig 1913, Köln 1914, Stockholm 1917) verdankt das österreichische Kunsthandwerk in erster Linie H., dem der Entwurf für die Ausstellungsgebäude und die Einrichtung der Räume oblag. Zu seinen bedeutendsten Aufträgen zählten die Ausstattung des Cabarets Fledermaus in Wien (1907) sowie der Bau und die Innengestaltung des Palais Stoclet in Brüssel (1905–11) mit Künstlern wie Moser und →Gustav Klimt. 1905 verließ H. die Secession mit der Klimt-Gruppe, die ab dann eigene Ausstellungen, wie etwa die legendäre Kunstschau 1908 und die Internationale Kunstschau 1909, organisierte. H. befand sich auf dem Höhepunkt seines Schaffens und war neben der Erbauung von Villen und Landhäusern mit der Ausstattung von Wohnungen, Ausstellungen und Lokalen beschäftigt (z. B. Villa Skywa-Primavesi, 1913–14, Wien 13). Während des 1. Weltkriegs mit der Errichtung von nüchternen Industrieanlagen (z. B. Wacker Chemiewerke Burghausen, 1914–17) betraut, konnte H. nach dem Krieg beim repräsentativen Wohnhausbau nur zögerlich wieder Fuß fassen und kaum Auftraggeber für die Ideen der Gesamtkunstwerke finden. Ausnahmen bildeten u. a. die Villa Knips (1923–24, Wien 19) und das Landhaus Ast (1923–26, Schiefling am Wörthersee) sowie einige Aufträge in der Tschechoslowakei, wie das Haus Berl in Bruntál (1919–20). Der Entwurf des österreichischen Pavillons für die Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris 1925 stellte für H. einen weiteren Höhepunkt dar. Die Aktualität seiner Konzeption wurde jedoch öffentlich infrage gestellt, da er den Innenraum mit überbordendem Dekor gestaltete. In weiterer Folge konnte er bei der Auftragsvergabe kaum reüssieren (eine Ausnahme bildete der Pavillon für die Biennale in Venedig 1934) und musste sich mit Aufträgen für Wohnbauten der Gemeinde Wien begnügen (u. a. Winarsky-Hof, 1924–25, Wien 20; Klose-Hof, 1924–25, Wien 19). Somit wandte sich H. vermehrt dem Kunstgewerbe zu, v. a. der Mode im Rahmen der Produktion der Wiener Werkstätte, und bildete zahlreiche Designerinnen, wie Maria Strauss-Likarz und Mathilde Flögl, aus. 1934 gründete H. gemeinsam mit →Clemens Holzmeister den Neuen Österreichischen Werkbund, der Juden von der Mitgliedschaft ausschloss. 1937 wurde H. als Professor der Kunstgewerbeschule emeritiert. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich 1938 wurde der international renommierte H. ein willkommenes Aushängeschild und erhoffte sich vom neuen Regime wirtschaftlichen Aufschwung. Er erhielt u. a. den Auftrag zum Umbau des Palais der deutschen Botschaft am Wiener Rennweg (Gebäude der Außenstelle des Auswärtigen Amts sowie Haus der Wehrmacht) und die Leitung des Amts zur Hebung des Wiener Kunsthandwerks. Eine nach seinem Entwurf 1940–42 gefertigte Silberkanne trägt als Ornament Eichenlaub, Schwerter und Hakenkreuz. Dennoch muss die Ambivalenz zwischen NS-Kulturpolitik und der Haltung H.s, die nicht zuletzt aus einer Aktennotiz hervorgeht, in der ihm größere Ehrungen verweigert wurden, da er als „judenfreundlich bekannt war und abfällige Bemerkungen über das Regime gemacht“ habe, unterstrichen werden. Nach dem 2. Weltkrieg war H. überwiegend mit nicht-architektonischen Aufgaben befasst, etwa 1948–54 als Kommissar bei der Biennale in Venedig. 1950 gründete er gemeinsam mit Albert Paris Gütersloh die Föderation Moderner Bildender Künstler Österreichs. Obwohl H. zahlreiche Projekte plante, konnte er in Wien nur noch drei soziale Wohnhausanlagen realisieren (Blechturmgasse, 1949–50, Wien 4; Silbergasse, 1951, Heiligenstädter Straße, 1953–54, beide Wien 19). Bereits zu seinen Lebzeiten wurde eine Architektur-Stiftung gegründet, die den Josef-Hoffmann-Preis der Wiener Secession verlieh. Sein internationales Renommee basierte in erster Linie auf seiner intensiven Ausstellungstätigkeit, aber auch auf seinen zahlreichen Kontakten ins Ausland, wobei Architekten wie Rob Mallet-Stevens und Gabriel Guevrekian (beide kurzfristig seine Schüler) in Frankreich oder →Josef Urban in den USA als Vermittler eine wichtige Rolle spielten. H. war 1896–97 Mitglied der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus), 1897–1905 der Secession, ab 1946 der neuen Secession, Gründungsmitglied des Deutschen Werkbunds (1907) sowie des Österreichischen Werkbunds (1912), 1921–45 Mitglied der Preußischen Akademie der Künste Berlin, 1941 Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Künste in Wien und 1956 ao. Mitglied der Akademie der Künste, Berlin (West). 1920 Oberbaurat, erhielt er den Großen Österreichischen Staatspreis (1950) und wurde Ehrendoktor der Technischen Hochschulen in Berlin, Dresden (1920) und Wien (1951). Sein Grabmal auf dem Wiener Zentralfriedhof wurde von Fritz Wotruba gestaltet. Das MAK Wien betreibt seit 2006 mit der Mährischen Galerie in Brünn das Josef-Hoffmann-Museum in Brtnice als gemeinsame Expositur.

Weitere W.: s. J. H., 1930; Sekler.
L.: AKL; NDB; H. Ankwicz-Kleehoven, in: NÖB 10, S. 171ff. (mit Bild); Thieme–Becker; Vollmer; J. H. zum sechzigsten Geburtstag, Wien 1930 (Kat., mit W.); G. Martin, in: Die Furche 71, 1971, Nr. 3, S. 16 (mit Bild); A. D’Auria – D. Baroni, J. H. und die Wiener Werkstätte, 1984; E. Sekler, J. H. Das architektonische Werk, 2. Aufl. 1986 (mit W.); J. H. Designs, ed. P. Noever – H. Egger, Wien 1987 (Kat.); P. Noever – O. Oberhuber, J. H. … Ornament zwischen Hoffnung und Verbrechen, Wien 1987 (Kat.); F. Kurrent – A. Strobl, Das Palais Stoclet in Brüssel von J. H. mit dem berühmten Fries von G. Klimt, 1991; H. Egger – P. Noever, Der barocke Hoffmann, Brtnice 1992 (Kat.); J. H. Interiors 1902–13, ed. Ch. Witt-Döring, New York 2006 (Kat.); A. Sarnitz, J. H. 1870–1956, im Universum der Schönheit, 2007; J. H. Selbstbiographie, ed. P. Noever – M. Pokorný, Brtnice 2009 (Kat.); J. H. Ein unaufhörlicher Prozess, ed. P. Noever, Balingen 2010 (Kat.); Architekturführer J. H., ed. P. Noever – M. Pokorný, 2010; G. Klimt – J. H. Pioniere der Moderne, ed. A. Husslein-Arco – A. Weidinger, Wien 2011 (Kat.); ABK, Wien.
(K. Pokorny-Nagel)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)