Jagemann, Carl von (1819–1883), Maler, Lithograph und Photograph

Jagemann Carl von, Maler, Lithograph und Photograph. Geb. Wertheim, Großherzogtum Baden (D), 4. 10. 1819; gest. Wien, 4. 12. 1883; röm.-kath. Sohn von Franz von Jagemann (1776–1866), Geheimer Justizrat in Diensten des Fürstenhauses Löwenstein-Wertheim-Rosenberg, und von Eugenie von Jagemann, geb. von Stubenrauch (1786–1849), Bruder von Franz Philipp Ludwig von Jagemann (geb. 1816; gest. Karlsruhe, D, 2. 9. 1889), der wie sein Vater in Diensten des Fürstenhauses stand, Neffe des Mannheimer Stadtdirektors und späteren Hofgerichtspräsidenten Philipp Anton von Jagemann (1780–1850); 1853–69 in 1. Ehe mit der Malerin Anna Kolb (geb. 17. 1. 1816; gest. 9. 3. 1905), in 2. Ehe mit Marie von Jagemann (gest. Wien, 8. 10. 1895, Selbstmord), der ehemaligen Besitzerin des Lechnerschen Ateliers in der Wiener Innenstadt, verheiratet. – J. besuchte 1830–35 das Wertheimer Gymnasium, wo sich bereits sein künstlerisches Talent zeigte, und studierte ab 1835 an der Akademie der Bildenden Künste in München. 1843 hielt er sich zu Studienzwecken in Salzburg auf und kehrte 1845 von München vorerst nach Wertheim zurück, wo die realistischen Altersbildnisse seiner Eltern entstanden. Im Sommer desselben Jahres übersiedelte J. – unterstützt durch das Fürstenhaus Löwenstein-Wertheim-Rosenberg – nach Wien, um sich hier u. a. bei →Friedrich von Amerling, den er in späteren Jahren mehrfach photographierte, künstlerisch weiterzubilden (in dessen Atelier lernte er vermutlich auch seine erste Frau kennen). Um 1850 wandte sich J. der Porträtlithographie zu und schuf in Anlehnung an →Josef Kriehuber und →Franz Eybl mehrere Bildnisse von Künstlerkollegen (z. B. von Joseph Hellmesberger d. Ä., →Anton Frh. von Klesheim oder von →Anna Maria Wilhelmine von Hasselt-Barth). Kurz darauf entdeckte er die Photographie für sich, der fortan sein Hauptinteresse galt. 1856 eröffnete er sein erstes Atelier in Wien 2, übersiedelte 1858 nach Wien 1 und unterhielt in den Folgejahren mehrere Standorte. 1864 verlieh ihm das Kaiserhaus den Titel eines k. k. Hof-Photographen, wodurch sein Renommée und der Zulauf zu seinem Atelier, das zu den führenden der Stadt zählte, noch gesteigert wurde. J. photographierte neben Mitgliedern des Kaiserhauses zahlreiche prominente Persönlichkeiten wie →Johannes Brahms, →Franziska (Fanny) Elßler, →Christian Friedrich Hebbel, →Christine Engehausen, Anselm Feuerbach, Clara Schumann, →Adolf Fürst Auersperg, →Andreas Frh. von Ettingshausen und →Friedrich Rochleder. Außerhalb seines Ateliers entstand eine Serie von Amerlings reich mit Kunstwerken geschmücktem Anwesen, dem sogenannten Amerling-Schlössl (ehemals Schloss Gumpendorf). In seinen Gemälden und Lithographien präsentierte sich J. als Vertreter einer realistischen Auffassung, die auch in den photographischen Porträts spürbar wurde. In seinen eher sachlich geprägten Aufnahmen verzichtete er auf übertriebene Posen oder üppige Atelierausstattungen, wobei er sich dem Zeitgeschmack und den Wünschen seiner Kunden allerdings nicht gänzlich entziehen konnte. Seine Arbeiten zeigte er u. a. 1865 auf der Internationalen Photographischen Ausstellung in Berlin, 1867 bei der Pariser und 1873 bei der Wiener Weltausstellung. 1841–45 war J. Mitglied des Münchner Kunstvereins, gehörte 1861 zu den Gründungsmitgliedern der Photographischen Gesellschaft Wien und war ab 1869 Mitglied des Vereins zur Förderung der Photographie in Berlin. 1865 wurde er mit der Auszeichnung Litteris et Artibus geehrt. Teile seines Œuvres befinden sich im Wien Museum, in der Österreichischen Nationalbibliothek sowie im Österreichischen Theatermuseum, alle in Wien, und im Grafschaftsmuseum Wertheim.

Weitere W.: Les Musiciens aveugles, 1833 (Grafschaftsmuseum Wertheim); Porträts der Eltern, ca. 1845 (Kurpfälzisches Museum, Heidelberg); Bildnis einer unbekannten Dame, 1849 (Österreichische Galerie Belvedere, Wien); etc.
L.: Thieme–Becker; T. Starl, Fotografen, Druckanstalten, Kunsthandel, Verlage, in: Blickfänge einer Reise nach Wien …, Wien 2000, S. 189 (Kat.); ders., Lexikon zur Fotografie in Österreich 1839 bis 1945, 2005; M. Diehm, Von Wertheim nach Wien – biografische Skizzen über den Maler und Hoffotografen C. v. J. (1819–1883), in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 62, 2011, S. 187–244 (m. B.); Die Explosion der Bilderwelt: die Photographische Gesellschaft in Wien 1861–1945, ed. M. Ponstingl, Wien 2011, S. 19, 222 (Kat.); Biobibliografie zur Fotografie in Österreich, http://fotobiobibliografie.albertina.at/d/fotobibl/einstieg.html (nur online, Zugriff 9. 3. 2012).
(M. Diehm)   
Zuletzt aktualisiert: 15.3.2013  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 2 (15.03.2013)