Jireček, Josef Konstantin (1854-1918), Historiker

Jireček Josef Konstantin, Historiker. * Wien, 24. 7. 1854; † Wien, 10. 1. 1918. Sohn des Vorigen, Neffe des Folgenden, Enkel des Slawisten P. J. Šafařík (1795 bis 1861). J. besuchte in Wien das Theresianum und übersiedelte 1872 mit den Eltern nach Prag. Schon die häusliche Atmosphäre regte ihn zum Erlernen slaw. Sprachen an (tschech., russ., bulgar., serbokroat.), dazu kamen (neu)griech., italien., rumän., ungar., türk. Er stud. an der Univ. Prag bei K. v. Höfler (s. d.) und V. VI. Tomek Geschichte, 1876 Dr.phil., 1877 Priv. Doz. für Geschichte der Balkanhalbinsel und der Pontusländer an der Univ. Prag. J. hielt zwei Jahre lang Vorlesungen und arbeitete 1878/79 im neu erschlossenen Ragusaner Archiv. Die wiss. Tätigkeit wurde unterbrochen durch eine Berufung in das eben erst von den Türken befreite Fürstentum Bulgarien, wo er zunächst Generalsekretär des Unterrichtsmin., 1881/82 Unterrichtsmin., dann Präs. des Unterrichtsrates und Dir. der Nationalbibl. wurde und sich um die Hebung der Volksbildung sehr verdient machte. 1884 verließ er aber Bulgarien, da er keine polit. Ambitionen hatte und die ruhige wiss. Arbeit vorzog. 1884–93 Prof. für allg. Geschichte an der Tschech. Univ. Prag, ab 1893 o. Prof. für slaw. Philol. und Geschichte an der Univ. Wien, ab 1907 Vorstand im neugegründeten Seminar für osteurop. Geschichte an der Univ. Wien, um dessen Ausbau er unermüdlich besorgt war. Mitgl. der Wr. Akad. der Wiss. J. war persönlich eher verschlossen und lebte besonders in späteren Jahren sehr zurückgezogen.Sein Streben galt der reinen hist. Forschung und nicht einem Wirken in der Öffentlichkeit. Hervorragende Sprachund Quellenkenntnisse befähigten ihn zu fruchtbarer Publikationstätigkeit und ermöglichten ihm eine erfolgreiche akad. Laufbahn. Seine Arbeiten fanden vor allem wegen der sachlichen Zuverlässigkeit und ihres Materialreichtums, nicht zuletzt aber auch wegen der aktuellen Thematik (die Geschichte der Bulgaren erschien gerade zur Zeit der Befreiungskämpfe) allg. Beachtung. An stilist. ansprechender Darstellung oder effektvollem Vortrag war ihm weniger gelegen. J. war in erster Linie gewissenhafter Forscher und seine Geschichte der Serben ist heute noch ein Standardwerk. Neben den als Quellen zu wertenden Reiseberr. aus Bulgarien und einigen Monographien, die auf dem Material des Ragusaner Archivs basieren, veröffentlichte er noch zahlreiche Aufsätze, vor allem in den Publ. der Akad. der Wiss. in Wien, dem Spomenik der kgl. serb. Akad. der Wiss., dem Archiv für slaw. Philol. und der Byzantin. Z. Ein reicher handschriftlicher Nachlaß, jetzt von bulgar. und serb. Historikern betreut, harrt noch weiterer Auswertung.

W.: Geschichte der Bulgaren, 1876; Die Heerstraße von Belgrad nach Konstantinopel und die Balkanpässe, 1877; Das Fürstentum Bulgarien, 1891; Das christliche Element in der topograph. Nomenklatur der Balkanhalbinsel., in: Sbb. Wien, phil.-hist. Kl, Bd. 136, 1897; Die Romanen in den Städten Dalmatiens, Denkschriften Wien, phil.-hist. Kl., 1–3, Bd. 48/49, 1901–04; Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner, in: Archiv für slaw. Philol., 25/26, 1904; Geschichte der Serben, Bd. 1, 1911, Bd. 2 posthum, 1918; Staat und Ges. im mittelalterlichen Serbien, Denkschriften Wien, phil.-hist. Kl., Bd. 56, 1912. Bd. 58, 1914; etc.
L.: J. A. v. Reiswitz, Zum 100. Geburtstag von K. J. J., in: Jbb. für Geschichte Osteuropas, NF II, 1954, S. 206–11 (dort die älteren Nachrufe verzeichnet); U spomen K. J. J. (Zum Gedenken K. J. J.s), 1918, enthaltend: F. Sišić, K. J. J. kao historik (K. J. J. als Historiker) und V. Jagić, J. kao čovjek (J. als Mensch); M. Murko, K. J. J., in: Österreich. Z. für Geschichte 1, 1917 (1918/19), S. 537–97; B. Cvěkovič–J. Nagi, Trudovetě na profesora K. J. J. (Werke Prof. K. J. J.), Periodičesko spisanie, 1905, Pril. 1–26 (Bibliographie); Almanach Wien, 1918; C. Vranska, Prinos kům izučavane deloto i ličnostta na K. J. J. (Beitrag zur Erforschung von Werken und Leben K. J.s), in: Izvestija na instituta na bulgarska istorija 6, 1956, S. 658–70; J. Cvetler, K. J., byzantinologue, in: Byzantinoslavica XVIII, 2, 1947, S. 189–201; J. Páta–Α. Frinta, Vzájemná korespondence K. J. J. a H. Jirečka (Briefwechsel K. J. J. und H. Jirečeks), Einleitung: O rodě Jirečků, zvláště o Josefu, Hermenegíldu a Konstantinu Jirečkovi (Über die Sippe der J., besonders über Josef, Hermenegild und Konstantin J.), Bildteil und Stammbaum, 1947; Th. Eckhardt, Zur Geschichte des Seminars für osteurop. Geschichte der Univ. Wien im ersten Jahrzehnt seines Bestandes 1907–18, in: Wr. Archiv für Geschichte des Slawentums und Osteuropas III, 1959, S. 14–47; Zbornik K. J.–Recueil d’oeuvres de K. J.-SAN, Pozebna izdanja 326, Odelj. društv. nauka N. S. 33, 1959, enthaltend: N. Radojčič, J. K, J., S. 1–7, J. Radonić, K. J. J., mladost i nastavnički rad (K. J. J., Jugend und Lehrtätigkeit), S. 7–19.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 12, 1962), S. 116f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>