Jireček, Josef (1825-1888), Politiker, Philologe und Literarhistoriker

Jireček Josef, Politiker, Philologe und Literarhistoriker. * Hohenmauth (Vysoké Mýto, Böhmen), 9. 10. 1825; † Prag, 25. 11. 1888. Sohn eines Schneiders, Bruder des Rechtshistorikers Hermenegild J. v. Samokov (s. d.), Vater des Folgenden. Nach Gymnasialstud. in Leitomischl stud. er 1843–49 Phil. und Rechtswiss. an der Univ. Prag. Schon damals arbeitete er außer an kleineren Publikationen an einer ethnograph. Karte von Böhmen, der ersten Karte Böhmens mit slaw. Nomenklatur, die 1850 erschien. 1850 wurde er in das Min. für Kultus und Unterricht nach Wien berufen und 1859 zum Ministerialsekretär, 1867 zum Sektionsrat und 1869/70 zum Ministerialrat ernannt. 1851 wurde er Mitgl. der vom Unterrichtsmin. gebildeten Komm. zur Feststellung der wiss. Terminol. in tschech. Sprache für die Zwecke der Mittelschule in Prag, welche ein lexikal. Hdb. der Terminol. in tschech.Sprache schuf. Über Aufforderung des Unterrichtsmin. Gf. Leo Thun verfaßte J. mehrere tschech. Schulbücher für Gymn. 1856 organisierte er den Wr. Schulbücherverlag. Vom 6. 2.– 30. 10. 1871 Min. für Kultus und Unterricht im Min. Hohenwart (s. d.). Als solcher führte er das Poln. an der Univ. Lemberg ein, gründete die Krakauer Akad. der Wiss., setzte in Prag die Sprachentrennung bei den Lehramtsprüfungskomm. durch und errichtete in Mähren eine Anzahl slaw. Unterrichtsanstalten. Nach Rücktritt des Kabinetts Hohenwart zog er sich zunächst in seinen Geburtsort Hohenmauth zurück, übersiedelte aber 1872 dauernd nach Prag. In dieser Zeit schuf er sein Hauptwerk, das Hdb. der tschech. Literatur, in welchem er der Darstellung trotz Kürze größte Klarheit und Anschaulichkeit zu verleihen wußte. 1872 o. Mitgl. der kgl. Böhm. Ges. der Wiss. in Prag, 1875–88 deren Präs. 1876–84 Mitgl. der Gemeindevertretung von Prag, 1877–80 auch Stadtrat, als welcher er sich besonders dem städt. Schulwesen widmete. 1878–88 böhm. Landtagsabg., 1879–87 Reichsratsabg. Im Reichsrat übernahm er als Mitgl. des großen Budgetausschusses die Berichterstattung für Schul- und Studienanstalten.

W.: Národopisný přehled království Českého r. 1850 (Die ethnograph. Übersicht des Königreichs Böhmen im Jahre 1850), 1850; Über den Vorschlag, das Ruthen. mit latein. Schriftzeichen zu schreiben, 1859; Die Echtheit der Königinhofer Handschrift, krit. nachgewiesen, gem. mit H. Jireček, 1862; Entstehen christlicher Reiche im Gebiete des heutigen österr. Kaiserstaates vom Jahre 500–1000, gem. mit H. Jireček, als Österr. Geschichte für das Volk, Bd. 2, 1865, 2. Ausg. 1870; Hdb. des Unterrichts- und Prüfungswesens in Österrr., 1868; Rukověť k dějinám literatury české do konce XVIII. věku (Hdb. der tschech. Literatur bis zum Ende des 18. Jh.), 1875/76; Hymnologia bohemica, in: Abhh. der böhm. Ges. der Wiss., 1878; etc.
L.: J. A. Frh. v. Helfert, J. J. Biograph. literar. Skizze, entworfen von Freundeshand, 1889; V. Flajšhans, Písemnictví České slovem i obrazem od nejdávnějších dob až po naše časy (Die tschech. Literatur in Wort und Bild von den ältesten Zeiten bis zu unserem Zeitraum), 1901; J. Jakubec, Dějiny literatury české (Geschichte der tschech. Literatur) 1, 1929; M. Navrátil, Almanach českých právníků (Almanach tschech. Juristen), 1904; ders., Almanach česko-slovenkých právníků (Almanach tschechoslowak. Juristen), 1930; Czedik 1; S. Hahn, Reichsraths-Almanach für die Session 1885/86, 1885, S. 179f.; Masaryk 3; Otto 13; Wurzbach; ADB 50.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 12, 1962), S. 115f.
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