Kaizl, Josef (1854-1901), Politiker und Nationalökonom

Kaizl Josef, Nationalökonom und Politiker. * Wolin (Volyně, Böhmen), 10. 6. 1854; † Schloß Miskowitz (Miskovice, Böhmen), 19. 8. 1901. Nach dem Besuch des Kleinseitener Gymn. in Prag stud. er Rechts- und Staatswiss. an der Prager Univ., wo er sich den tschech. Studenten anschloß, 1876 Dr. jur. Dann stud. er noch zwei Semester Nationalökonomie bei G. v. Schmoller und C. F. Knapp in Straßburg. 1877 kehrte er nach Prag zurück und schrieb hier eine größere wirtschaftsgeschichtliche Studie „Der Kampf um Gewerbereform und Gewerbefreiheit in Bayern 1799–1868“, mit der er sich 1879 an der Univ. Prag für Nationalökonomie habilitierte. Nachdem er einige Zeit in der Advokatur praktiziert hatte, stand er 1880–84 im Dienste des böhm. Landesausschusses. Nach Teilung der Prager Univ. (1882) optierte er für die Tschech. Univ. und wurde 1883 zum ao. und 1888 zum o. Prof. für Nationalökonomie an derselben ernannt. Er veröffentlichte nun eine Reihe von wiss. Arbeiten in tschech. und dt. Sprache, so insbesondere ein Lehrbuch der Nationalökonomie, und war seit 1884 auch Inhaber und Redakteur der Prager wiss. Ms. „Athenaeum“. 1885 wurde er als Anhänger der alttschech. Partei in den Reichsrat gewählt, legte aber 1888 sein Mandat nieder. Seither hielt er sich von der alttschech. Partei fern. 1890 wieder in den Reichsrat entsandt schloß er sich nunmehr dem jungtschech. Klub an und wurde 1891 neuerlich in den Reichsrat gewählt, dieses Mandat wurde bei den Wahlen 1895 und 1901 erneuert. 1895 wurde er auch in den Prager Landtag gewählt. K. wurde im Reichsrat in alle Ausschüsse entsendet, welche finanzielle und wirtschaftliche Fragen zu behandeln hatten. Er vertrat nunmehr eine streng nationale Richtung, vor allem in der Sprachenfrage, widmete sich aber insbesondere den finanziellen Angelegenheiten und den Staatsbahnen. Als Generalredner zum Budget hielt er 1895 eine vielbemerkte Rede über die Möglichkeit eines Ausgleichs in Böhmen bei nur etappenweiser Durchführung des Staatsrechtes. Am 7. 3. 1898 wurde er als Vertreter der jungtschech. Partei in das zum großen Teil aus Nichtparlamentariern gebildete Kabinett Thun als Finanzmin. berufen. Er beendete die Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn, regte eine Reform des Aktienrechtes an und besetzte zahlreiche wichtige Stellen mit Tschechen. K. 1898 Geh. Rat, betätigte sich nach seiner Demission im 2. 10. 1899 auch weiterhin im Abgeordnetenhause des Reichsrates als Führer der Jungtschechen in zielbewußter Opposition zur Regierung. Seine hinterlassenen Memoiren wurden nach seinem Tode hrsg.

W.: Der Kampf um Gewerbereform und Gewerbefreiheit in Bayern von 1799–1868, in: Staats- und sozialwiss. Forschungen, hrsg. von G. Schmoller Bd. 2, H. 1, 1879; Die Lehre von der Überwälzung der Steuern, 1882; Národní hospodářství (Lehrbuch der Nationalökonomie), 1883; O postátnění železnic v Rakousku, 1883, dt.: Die Verstaatlichung der Eisenbahnen in Österr., 1885; Obnovený řád živnostenský (Die erneuerte Gewerbeordnung), in: Prostonárodní spisy polit., 1883; Vyrovnání s Uhry r. 1866 a 77 (Der Ausgleich mit Ungarn), in: Athenaeum r. III, 1886; Finanční věda, 1888–92, dt.: Finanzwiss., 1900/01, auch italien. Übers.; úprava rakouské měny (Die Regelung der österr. Valuta) 1890; České myšlenky (Gedanken über Probleme Böhmens), 1895, 2. Aufl. 1896; Z mého života (Aus meinem Leben), hrsg. von Z. V. Tobolka, 3 Bde., 1908–14; zahlreiche Abhh. in wiss. Z.
L.: N.Fr.Pr. vom 20. 8., Österr.-ung. Volksbl. vom. 1. 9. 1901; Jurist. Bll., 1901, S. 403; Zentralbl., 1901, S. 128; Parlamentar. Jb., Jg. 4, 1891, S. 203, Jg. 5, 1897, S. 203; S. Hahn, Reichsraths-Almanach für die Session 1891/92, 1891; Otto 13 und 28, Erg. Bd. III/1; Masaryk 3; Czedik 2.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 12, 1962), S. 185f.
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