Kammerer Paul, Biologe. * Wien, 17. 8. 1880; † Puchberg a. Schneeberg (N. Ö.), 23. 9. 1926 (Selbstmord). Stud. ab 1899 an der Univ. Wien Zool., 1904 Dr. phil., 1910 Priv. Doz. für experimentelle Morphol. der Tiere. 1902 mit der Einrichtung von Terrarien und Aquarien an der im Entstehen begriffenen biolog. Versuchsanstalt in Wien (Prater) betraut, gehörte er dieser als Volontär, dann als Privat-Ass. H. Przibrams, seit der 1913 erfolgten Verstaatlichung als Adjunkt an. 1923 i.R. K., hervorragend in der Aufzuchttechnik von Amphibien, konnte bei Grottenolmen, die er von der Geburt an in rotem Licht hielt, Exemplare mit sehenden Augen züchten. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten stand die Frage der Vererbung erworbener Eigenschaften, die K. aus weltanschaulichen Gründen bejahte. Seine Mitt. über die Änderung des Farbenkleides von Salamandern durch Anpassung an den Grund, auf dem sie gehalten wurden, und über die angebliche Vererbung der so erworbenen Eigenschaften erregten großes Aufsehen, konnten jedoch trotz zahlreicher Versuche verschiedener Forscher nicht bestätigt werden. Da auch K.s Veröff. beweiskräftige Abb. vermissen ließen und zudem ein mit der Überwachung von K.s Versuchen betrauter Ass. schon 1913 erklärte, die Versuchsergebnisse nicht beobachtet zu haben, erhoben sich bald Zweifel an der Richtigkeit. Bei der Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), die K. entgegen dem normalen Verhalten zur Eiablage im Wasser brachte, sollten nach K. beim Männchen Brunstschwielen aufgetreten sein, wie sie sonst nur die im Wasser kopulierenden Arten aufweisen. Diese Brunstschwielen sollten ebenso wie die Kopulation im Wasser erblich gewesen sein. Merkwürdigerweise konnte K. nur ein einziges Belegexemplar vorweisen. Als 1926 der amerikan. Zoologe G. K. Noble bei einer mikroskop. Untersuchung die angeblichen Brunstschwielen als eine mit Tusche erzeugte Fälschung nachwies, beging K. Selbstmord, obwohl er kurz vorher zum Univ. Prof. in Moskau ernannt worden war und schon die Vorbereitungen für die Organisation des dort unter seiner Leitung zu errichtenden großen biolog. Inst. traf. K., der während seiner Studienzeit das Musik-Konservatorium besucht hatte, betätigte sich auch als Komponist.