Kandó (von Egerfarmos und Sztregova), Kálmán (1869–1931), Elektrotechniker und Konstrukteur

Kandó (von Egerfarmos und Sztregova) Kálmán, Elektrotechniker und Konstrukteur. Geb. Pest (Budapest, H), 10. 7. 1869; gest. ebd., 13. 1. 1931. Aus einer alten ungarischen Adelsfamilie stammend, Sohn eines Beamten im Handelsministerium. – K. studierte ab 1888 an der TU in Budapest; 1892 Dipl. Maschinen-Ing. 1893 arbeitete er bei der Compagnie de Fives-Lille in Paris. Er beschäftigte sich mit der damals neuen Drehstromtechnik und entwickelte eine Rechenmethode für die Konstruktion von Dreiphasen-Asynchronmotoren. 1894 gewann ihn Generaldirektor →Andreas Mechwart von Belecska für die Firma Ganz & Co. in Budapest, wo er 1895 Leiter der Konstruktionsabteilung für Asynchronmotoren wurde, deren Serienherstellung noch im selben Jahr begann. Ab 1896 führte K. Versuche mit Drehstrommotor-Triebwagen durch, bei denen der Strom dem Triebwagen durch zwei Fahrleitungen zugeführt wurde. Nach einer Studienreise durch die USA 1897 baute er 1898 im französischen Évian-les-Bains eine kleine Straßenbahn zur Beförderung von Hotelgästen, deren Triebwagen einen Dreiphasen-Asynchronmotor-Antrieb besaß. 1899 führte die Firma Ganz & Co. die Elektrifizierung der italienischen Valtellina-Bahn durch, die 1902 mit Drehstromlokomotiven von K. eröffnet wurde und die erste Drehstrom-Vollbahnlinie der Welt war. Die Spannung der Fahrleitungen betrug 3.000 V / 15 Hz. In Oberitalien wurden etwa 1.800 km Linien nach dem Kandó-System elektrifiziert. Nach 1906 wurden die Lokomotiven unter der technischen Leitung K.s in einer von Westinghouse in Vado Ligure gegründeten Fabrik hergestellt. Als Italien 1915 Österreich-Ungarn den Krieg erklärte, kehrte K. nach Budapest zurück, wo er ab 1917 neuerlich in leitender Funktion bei der Firma Ganz & Co. beschäftigt war und seine Tätigkeit in der Weiterentwicklung von Drehstrom-Loks fortsetzte. Zudem hielt er sich einige Zeit als Berater der Firma Westinghouse in den USA auf. Ab 1928 beschäftigte sich K. mit der Elektrifizierung der Eisenbahnlinie Budapest–Wien und konstruierte eine Lokomotive mit Drehstrommotor, der über einen einzigen Fahrdraht vom Landesnetz mit 16.000 V / 50 Hz versorgt wurde. Die Umwandlung des Einphasenwechselstroms in Drehstrom erfolgte durch einen rotierenden Umformer. Die Teilstrecke Budapest–Hegyeshalom wurde erst nach K.s Tod, 1932 in Betrieb gesetzt. Sein Konzept wird bis heute angewandt, nur die Methode der Stromumformung hat sich geändert: Statt Einphasen-Drehstrom-Umformern werden Halbleiter-Stromrichter verwendet. K. erhielt neben anderen Ehrungen 1922 das Ehrendoktorat der TU Budapest, wurde 1923 Oberregierungsrat, 1924 Präsident des Landes-Ingenieur-Senats und 1927 korrespondierendes Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. 1930 erhielt er das ungarische Matthias-Corvinus-Ehrenzeichen II. Klasse.

W.: Der Betrieb der Valtellina-Bahn mit hochgespanntem Drehstrom, in: Zeitschrift des Vereines Deutscher Ingenieure 47, 1903 (gem. m. E. Cserhàti); Neue elektrische Güterzuglokomotive der Italienischen Staatsbahnen, ebd. 53, 1909; Über Drehstrombahnen, in: Elektrotechnische Zeitschrift 31, 1910; etc.
N.: Pester Lloyd, 14. 1. 1931; Elektrotechnik und Maschinenbau 49, 1931, S. 137 (m. B.).
L.: M. Életr. Lex. (m. B.); L. v. Verebélÿ, Die elektrotechnischen Grundlagen eines neuen Phasenumformersystems zur Elektrisierung von Hauptbahnen, in: Elektrotechnische Zeitschrift 46, 1925, S. 37–43; T. Varfalvi, 50 Jahre elektrischer Zugbetrieb Budapest – Hegyeshalom, ein Werk K. K.s, in: Eisenbahn 36, 1983, S. 181–188; T. Horváth – S. Jeszenszky, A magyar elektrotechnika története, 2000, S. 104–109.
(S. Jeszenszky)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)