Kienzl, Wilhelm (1827-1902), Politiker und Rechtsanwalt

Kienzl Wilhelm, Rechtsanwalt und Kommunalpolitiker. * Graz, 7. 11. 1827; † Graz, 1. 7. 1902. Vater des Schriftstellers und Dramaturgen Hermann K. (s. d.) und des Folgenden. Der Familie eines bürgerlichen Handwerkers (Riemermeister) entstammend, verlebte er nach Absolv. des Gymn. in Graz seine Hochschuljahre in Wien, wo er die Rechts- und Staatswiss. stud. und 1848 Mitgl. der Akadem. Legion war. 1856 Hof- und Gerichtsadvokat in Waizenkirchen (O. Ö.), 1861 übersiedelte er nach Graz, wurde dort 1866 in den Gemeinderat berufen und bekleidete 1873–85 in überaus verdienter Weise das Amt des Bürgermeisters der steir. Landeshauptstadt, die ihm in Anerkennung seines erfolgreichen Wirkens 1885 die Ehrenbürgerrechte verlieh. 1878–96 war er Mitgl. (Abg.) des Steiermärk. Landtages, viele Jahre Präs. des Disziplinarrates der Steiermärk. Advokatenkammer. In seine Bürgermeisterzeit fallen u.a. die Errichtung des Schlachthauses, der Pferdebahn, der Staatsgewerbeschule, des Mädchenlyzeums, die Beschlußfassung über den Bau des Hauptpostgebäudes und des Justizpalastes auf den Neutorgründen, die Übernahme des Versatzamtes in die städt. Verwaltung, die Reformierung der städt. Markt- und Bauordnung, die Gründung der städt. Dienstbotenkrankenkasse, die Aktivierung des Stadtphysikates und des Kreditver. der Gemeindesparkasse, einiger wichtiger Rechte in gemeindeautonomer Hinsicht, die Verbesserung der hygien. und sanitären Zustände, die Schaffung eines städt. Zukunftsplanes, die Grazbachüberwölbung sowie viele Schul-, Straßen- und Brückenbauten. K. verhinderte in den stürm. Tagen der „Don Alfonso-Affaire“ (Frühjahr 1875) durch mutiges persönliches Eingreifen Zusammenstöße zwischen Zivil und Militär. Sein Haus (im sogenannten „Paradeishof“) war der Mittelpunkt lebhaften geselligen Verkehrs, Zentrum schöngeistigen Lebens. Seine Gattin Anna (Nina), Tochter des aus Böhmen stammenden Wr. Hof- und Gerichtsadvokaten Kafka (1836–1916), eine unermüdliche Förderin des Dt. Schulver., war maßgebend an der Errichtung des ersten österr. Mädchen-Lyzeums in Graz beteiligt. Sie war auch schauspieler. begabt und bis zu ihrem Tode literar. und karitativ rege tätig.

L.: W. Kienzl (Sohn), Meine Lehenswanderung, 1926; W. Kienzl (Urenkel), Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz und Steiermärk. Landtagsabg. Dr. W. K. und seine Zeit, phil. Diss. Graz, 1949.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 3 (Lfg. 14, 1964), S. 325f.
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