Kralik von Meyrswalden, Richard (1852-1934), Schriftsteller

Kralik von Meyrswalden Richard, Schriftsteller. * Eleonorenhain (Lenora, Böhmen), 1. 10. 1852; † Wien, 4. 2. 1934. Sohn des Folgenden, Bruder der Vorigen. Als vierjähriges Kind kam K. nach Linz (O.Ö.), wohin die Eltern übersiedelt waren. um den Kindern eine bessere Schulbildung angedeihen zu lassen. Er besuchte dort die Volksschule, das Gymn. und stud. 1870–74 an der Univ. Wien Rechtswiss., obwohl ihm eigentlich die Beschäftigung mit Malerei und Musik, daneben aber auch mit klass. Philol., Geschichte und Literatur mehr zusagte. Nach Erlangung des Doktorgrades (1876) und Studienaufenthalten in Bonn und Berlin, Reisen durch Deutschland, die Schweiz und Italien gewann er auf einer Reise nach Griechenland und bei Besuchen in Oberammergau und Bayreuth die Erkenntnis, daß Kultur auf Religion und Volkstum beruhe, wie ihn die Antike lehrte, weshalb er eine Erneuerung der dt. Kultur auf diesen Grundlagen anstrebte. Als freier Schriftsteller ganz seinen Neigungen lebend, wirkte er als Dichter und Philosoph, Historiker und Soziologe, Maler und Musiker in Wien, wo er ein gastliches Haus führte. Wenn er einen die ganze Welt umspannenden Universalismus vertrat, so war er doch nicht Polyhistor im Sinn einer sinnlosen Vielwisserei, sondern hatte als Ziel die Erneuerung der dt. Kultur aus Volkstum und Religion (Katholizismus) im Auge. Darum griff er auf frühe Dichtungen und Dichtungsformen wie Mythus, Sage und Legende, Volksschauspiel, Puppenspiel und mittelalterliche Mysterienspiele zurück, nicht nur in Texten, sondern auch in Aufführungen, womit er lange vor Hofmannsthal (s. d.) den Festspielgedanken zu verwirklichen trachtete. Auch seine Wiederbelebung der Werke Calderons geht in diese Richtung. Als Historiker schloß er sich an die Generationenlehre von Ottokar Lorenz an und arbeitete gern annalist.-synchronist. Dadurch glaubte er möglichste Objektivität zu erzielen. In philosoph., weltanschaulichen und religiösen Werken suchte er den Unterbau für seine Kulturauffassung zu festigen. Kunst war ihm, wie der Antike und R. Wagner, von dem er manche Anregung erfuhr, eine öffentliche Angelegenheit von Staat und Ges., womit er gegen den Individualismus und Subjektivismus der neueren Zeit auftrat. Im „Gral–Bund“ und in der Z. „Der Gral“ trat er anderen, von K. Muth im „Hochland“ vertretenen Auffassungen, entgegen (Kath. Literaturstreit). Sein umfangreicher literar. Nachlaß wird in der Wr. Stadtbibl. verwahrt, die K.-Ges. hütet sein Erbe.

W.: 1879: Tanzidyllen; 1884: Roman (Ged.); Adam; Dt. Puppenspiele, gem. mit J. Winter; 1885: Maximilian (Schauspiel); Büchlein der Unweisheit (Gedichte); 1886: Das Ostaralied, ein Wintermärchen; 1888: Offenbarung. Episteln und Elegien; Die Türken vor Wien (Festspiel); 1891: Kunstbüchlein; 1893: Weihnachtsspiel; Kraka (Lustspiel); 1894: H. Sachs–Bearbeitungen; Osterfestspiel; Weltweisheit (Weltschönheit); 1895: Dreikönigsspiel; Volksschauspiel von Dr. Faust; Mysterium vom Leben und Leiden des Herrn; Weltgerechtigkeit; 1896: Prinz Eugen; Lieder im hl. Geist; Weltwissenschaft; 1897: K. Markus Aurelius in Wien; Rolands Knappen; Rolands Tod; 1898: Die Erwartung des Weltgerichts; Veronika; 1899: Sokrates nach der Überlieferung seiner Schüler; 1900: Das dt. Götter- und Heldenbuch (bis 1904); Kulturstud. (bis 1906); 1901: Weihelieder und Festgesänge; 1902: Die wunderbaren Abenteuer des Ritters Hugo v. Burdigal; Die goldene Legende der Heiligen; 1903: Die Perserbraut (Novellen); Die Weltgeschichte nach Menschenaltern; Vorschlag zur künstler. Ausgestaltung des Leopoldsberges bei Wien; Neue Kulturstud.; 1904: Der Dichtertrank (Götterkomödie); Medelika (Festspiel); Jesu Leben und Werk; Der hl. Leopold; Kulturarbeiten; Kulturfragen; 1905: Das Veilchenfest; 1906: Nordgerman. Sagengeschichte; Das Donaugold des hl. Severin; Karl der Große in Wien; 1907: Die Rettung der Heimat (= Türken vor Wien); Sage vom Gral; Kulturfragen; Hausbrot (Märchen und Sagen), gem. mit L. Auer; 1908: Die Revolution (7 Historien); 1909: Heimaterzählungen; Die kath. Literaturbewegung der Gegenwart; Ges. Werke, 1909 ff. (abgebrochen); 1910: Neue Heimaterzählungen; Homeros (Zur Geschichte und Theorie des Epos); 1911: Der Begriff des Spiels in der Weltliteratur; 1912: Wien, Geschichte der Kaiserstadt und ihrer Kultur, gem. mit H. Schlitter; 1913: Österr. Geschichte; K. Karl V.; Der letzte Ritter (Umarbeitung von Maximilian); 1915: Allg. Weltgeschichte der neueren Zeit von 1815 bis zur Gegenwart (1915–23, Fortsetzung von J. B. Weiß); 1917: Entdeckungsgeschichte des österr. Staatsgedankens; 1918: Die Weltliteratur im Lichte der Weltkirche; 1920: Grundriß und Kern der Weltgeschichte; 1921: Pfingst- und Weltgerichtsspiel; 50 niederländ. Erzählungen; 1922: Tage und Werke (Erinnerungen); Allermann (ungedruckte Jedermann–Bearbeitung); 1923: Heinrich von Offterings poet. Sendung (Roman); 1925: Theophrastus Parazelsus (Volksschauspiel); Der letzte Nibelung in Wien; Die Argonauten an der Donau; Die Gründung Wiens; Der verzauberte Esel und die Rosen und das gelöste Rätsel; Volks- und Puppenspiele; Klingklanggloria oder Tanton und Malvin; Dreiteufels Denkwürdigkeiten aus jüngst vergangener Zeit (Roman); 1926: Einrichtung von 26 Autos von Calderon; 1927: Neue Tage und Werke (Erinnerungen); 1930: Münchhausen (Roman); 1931: Mit Gott durchs Leben (Hausbibel); etc. Bibliographie: F. Bambule, Verzeichnis der gedruckten und ungedruckten Werke von R. K., in: Mitt. der K.-Ges., Juli 1954 (unvollständig); Gral und Romantik, hrsg. von. M. Enzinger, 1963.
L.: R. P. vom 1. 10. 1927; N. Fr. Pr. vom 18. 2. 1934; H. M. Truxa, R. v. K., ein Lebensbild, mit einer Auswahl aus seinen Dichtungen und einer Smlg. krit. Stimmen, 1905; A. Innerkofler, R. v. K., 1912; R. v. K., Gral und Romantik, hrsg. von M. Enzinger, 1963 (mit Bibliographie); R. K. zum 80. Geburtstag, in: Aus unserer Werkstatt, hrsg. von P. Pauer, 1932, H. 3!4; E. Raybould, K.s Erneuerung altdt. Dichtung, 1934; H. Steinacker, Die Stellung K.s in der österr. Historiographie, Diss. Wien, 1949; M. Dobrawsky, K. und das Puppenspiel, Diss. Wien, 1952; R. Allram, Stud. zum kath. Literaturstreit, Diss. Wien, 1955; Hochland 5, 1905; Hist. polit. Bll. 138, 1906, S. 591 ff., 144, 1912, S. 836 ff., 898 ff.; Der Gral 4, 1909, S. 273, 6, 1911/12, S. 596 ff., 28/1, 1933/34, S. 292 ff.; Frankfurter zeitgemäße Broschüren, N. F. 29, 1910, H. 5, 6; Über den Wassern 6, 1913, S. 64 ff., 152 ff.; Allg. Literaturbl. 27, 1918, S. 1 ff., 33 ff., 161 ff.; Zeit im Buch, 1950, n. 2; Österr. Hochschulkde., 1965, S. 43; Giebisch–Pichler–Vancsa; J. Nadler, Literaturgeschichte der dt. Stämme und Landschaften, 1928, 4, S. 917 f.; ders., Literaturgeschichte Österr., 2. Aufl. 1951, S. 417 ff.; ders., Geschichte der dt. Literatur, 1951, S. 836 ff., 2. Aufl. 1961, S. 744 f.: Nagl–Zeidler–Castle, s. Reg.; Kosch, Das kath. Deutschland; M. Clauss, Hinwendung zum Mysterienspiel bei unseren neueren Dichtern, Diss. Leipzig, 1939.
(Enzinger)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 4 (Lfg. 18, 1968), S. 199f.
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