Lannoy, Heinrich Eduard Josef von (1787-1853), Komponist, Dirigent und Musikschriftsteller

Lannoy Heinrich Eduard Josef von, Komponist, Dirigent und Musikschriftsteller. * Brüssel, 3. 12. 1787; † Wien, 28. 3. 1853. Sohn des niederländ. Staats- und Konferenzrates Peter Josef Albert v. L.; kam 1796 mit seinen Eltern in die Stmk.; stud. Mathematik, Musik und Ästhetik in Brüssel und Paris und lebte ab 1806 abwechselnd in Graz, auf dem von seinen Eltern erworbenen Schloß Wildhaus bei Marburg a. d. Drau und in Wien. In Graz trat er zunächst als Schriftsteller im Kreis um I. Kollmann (s. d.), den Redakteur des „Aufmerksamen“, an die Öffentlichkeit; 1814 kam dort seine erste Oper „Margarethe oder die Räuber“ zur Uraufführung; 1817 folgte anläßlich des Kaiserbesuches die Uraufführung der Oper „Die Morlaken“. Seit 1818 verbrachte L. die Konzertsaison alljährlich in Wien, gehörte dem Vorstand der Ges. der Musikfreunde an, dirigierte deren Konzerte und stand 1830–35 dem Wr. Konservatorium vor. Nach dem Tod F. X. Gebauers (s. d.) leitete er gem. mit C. Holz und L. Titze bis 1848 die im vormärzlichen Wien bedeutsamen Concerts spirituels. Seinem Schülerkreis gehörte J. Vesque v. Püttlingen an. Zu seinen Freunden zählten u. a. A. Boucher, F. David, G. Donizetti, F. Lachner, F. Liszt, F. Mendelssohn-Bartholdy, I. Moscheles, M. Salvi, W. J. Tomaschek und H. Vieuxtemps. L.s wertvoller musikal. Nachlaß befindet sich in der Bibl. des Steiermärk. Landeskonservatoriums (Akad. für Musik und darstellende Kunst) in Graz. Als Mitarbeiter des Ästhet. Lexikons von I. Jeitteles und zahlreicher Fachz. prägte er das Musikdenken seiner Zeit wesentlich mit. Seine musikal. Schöpfungen (zahlreiche Bühnenwerke, Symphonien, Kammermusikwerke, Chöre, Lieder) sind jedoch heute vergessen.

W.: Opern: Margarethe oder die Räuber, 1813; Olindo und Sophronia, 1815; Rosa oder die Einsiedeley in den Alpen, 1816; Die Morlaken, 1817; Libussa, Böhmens erste Kgn., 1818; Die Europäer in Ostindien, 1823; Der Schreckenstein, 1825; Des Liedes Macht, 1826; Schloß Darville, 1839; I due forzati, verschollen. Singspiele: Jery und Bätely, 1816; Käthly, 1827; Zauberer Papagei und Kg. Bär, 1830. Melodramen: Ein Uhr oder der Zauberbund um Mitternacht, 1822; Der Mörder, 1822; Carlos Romaldi, 1822; Emmy Teels, 1823; Die beiden Galeerensklaven, 1823; Der Löwe von Florenz, 1823; Abu der schwarze Wundermann, 1826; Schauspielmusiken; Chöre; Lieder; Instrumentalwerke; etc. Publ.: Textbuchübers.; Artikel für I. Jeitteles, Ästhet. Lex., 1835–37; zahlreiche Abhh. in Fachz.
L.: Neues Jb. der herald.-genealog. Ges. Adler, 1963, S. 75 ff.; Fontes Artis Musicae 12, 1965, S. 9 ff.; W. Suppan, H. E. J. v. L. Leben und Werke, in: Musik aus der Stmk., Reihe 4, Bd. 2, 1960; ders., Steir. Musiklex., 1962–66; Die Musik in Geschichte und Gegenwart; Eitner; Fétis; E. L. Gerber, Neues hist. biograph. Lex. der Tonkünstler, 2. Aufl., 4 Bde., 1812–14; Reissmann; Riemann; Schmidl; Universalhdb. der Musikliteratur aller Zeiten und Völker, hrsg. von F. Pazdirek, 1904; Wurzbach; W. Suppan, F. Liszt und die Stmk., in: Studia musicologica 5, 1963, S. 301 ff.; ders., Volkskundliches im „Ästhetischen Lexikon“ von I. Jeitteles, 2 Bde., 1835–37, in: Hess. Bll. für Volkskde. 56, 1965, S. 75 ff.; R. v. Mojsisovics, Die älteste steir. Oper, in: Aus dem Musikleben des Steirerlandes, 1924, S. 83 ff.
(Suppan)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 21, 1970), S. 17
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