Lazar, Auguste (Wilhelmine); verheiratete Wieghardt, Ps. Mary Macmillan (1887–1970), Schriftstellerin

Lazar Auguste (Wilhelmine), verheiratete Wieghardt, Ps. Mary Macmillan, Schriftstellerin. Geb. Wien, 12. 9. 1887; gest. Dresden, DDR (D), 7. 4. 1970; röm.-kath. Tochter des Baurats und Eisenbahndirektors Adolf Lazar, Schwester von →Maria Lazar; ab 1920 mit dem Mathematiker und Hochschullehrer Karl Wieghardt (geb. Bergeborbeck, Preußen / Essen, D, 21. 6. 1874; gest. Dresden, Deutsches Reich/D, 10. 6. 1924) verheiratet. – L., die aus einem begüterten, liberalen Elternhaus stammte, studierte nach Privatunterricht und der Matura ab 1912 an der Universität Wien Germanistik, promovierte 1916 mit einer Dissertation über E. T. A. Hoffmann und unterrichtete anschließend an der Schwarzwald-Schule. Nach ihrer Heirat übersiedelte sie nach Dresden, fand in der Folge Anschluss an die kommunistische Arbeiterbewegung und zählte zu ihren Freunden Künstler und Intellektuelle aus dem Milieu der Kommunistischen Partei Deutschlands wie das Malerehepaar Lea und Hans Grundig. Eine enge Freundschaft bestand trotz weltanschaulicher Differenzen auch mit Viktor Klemperer und dessen Frau Eva. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten unterstützte F. als parteilose Kommunistin den Widerstand und gewährte u. a. verfolgten Personen Unterschlupf. Dazwischen hielt sie sich immer wieder in Dänemark auf, wo ihre Schwester Maria lebte, und pflegte Kontakte mit Karin Michaelis, Bertolt Brecht und Helene Weigel. Nach der Verhaftung von zahlreichen Widerstandskämpfern aus ihrem Umfeld betrieb L., als Oppositionelle und Jüdin nach den Nürnberger Gesetzen doppelt gefährdet, ihre Flucht aus Deutschland. Anfang Mai 1939 reiste sie nach Großbritannien aus und fand zunächst in der Nähe von Brighton Beschäftigung als Köchin. Im Zuge der Evakuierung ausländischer Staatsbürger aus Südengland musste sie im Juni 1940 nach London übersiedeln, wo sie sich, unterbrochen von Perioden der Arbeitslosigkeit, mit Gelegenheitsarbeiten durchbrachte. Nach ihrer Rückkehr nach Dresden (1949) begann sie eine erfolgreiche Karriere als Kinder- und Jugendbuchautorin. Zu ihren Werken zählen „Jan auf der Zille. Eine Jugenderzählung aus dem Jahr 1934“ (1950), „Bootsmann Sibylle“ (1953) und „Jura in der Leninhütte. Der Jugend erzählt“ (1960). Ihre Bücher erlebten zahlreiche Neuauflagen und wurden von Künstlern wie Lea und Hans Grundig, Alex Keil (eigentlich Sándor Ék) oder Heinrich Strub illustriert. Ihr bereits 1935 unter ihrem Pseudonym in der Sowjetunion publiziertes Buch „Sally Bleistift in Amerika“ war Schullektüre in der DDR und wurde ins Italienische, Spanische und Tschechische übersetzt. L. gilt neben Alex Wedding als Pionierin der sozialistischen Kinder- und Jugendliteratur, die Themen wie Rassismus, Exil und Widerstand gegen den Faschismus, aber auch das Experiment des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft aufgreift. In ihrer Autobiographie „Arabesken. Aufzeichnungen aus bewegter Zeit“ (1957) verknüpft sie ihre Erinnerungen an die Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus mit kunsttheoretischen und politischen Reflexionen. L. war Mitglied des Deutschen Schriftstellerverbandes und gehörte ab 1951 der SED an. 1959 wurde sie mit dem Martin-Andersen-Nexö-Preis ausgezeichnet, 1962 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Silber, 1965 mit der Clara-Zetkin-Medaille und dem Nationalpreis der DDR.

Weitere W. (s. auch Seeber): Der neue Däumling, 1954; Die Schreckensherrschaft und das Glück der Anette Martin, 1961; Schach dem König! Phantastische und nüchterne Bilder aus der Französischen Revolution, 1964; Die Brücke von Weißensand, 1965; Kampf um Kathi. Vier Mädchen – vier Schicksale, 1967; Akelei und das Wurzelmännchen, 1970. – Nachlass: Sächsische Landesbibliothek, Dresden, D.
L.: Bolbecher–Kaiser (m. B.); Hdb. der Emigration 2; Hdb. jüd. AutorInnen; Killy; Kosch; NDB; Lexikon sozialistischer deutscher Literatur von den Anfängen bis 1945. Monographisch-biographische Darstellungen, 1963; J. Ploog, A. L. zum 80. Geburtstag, in: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 134, 1967, S. 688f. (m. B.); Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur. Personen-, Länder- und Sachartikel zu Geschichte und Gegenwart der Kinder- und Jugendliteratur 2, 1977; Lexikon sozialistischer Literatur. Ihre Geschichte in Deutschland bis 1945, ed. S. Barck u. a., 1994; Biographisches Handbuch der SBZ / DDR 1945–1990, 1, 1996; Kleine Verbündete / Little Allies. Vertriebene österreichische Kinder- und Jugendliteratur. Austrian Childrenʼs and Juvenile Literature in Exile, ed. U. Seeber, 1998, s. Reg. (m. B. u. W.); Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen im Exil 1933–1945, 2004; IKG, UA, WStLA, alle Wien.
(Ch. Kanzler)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)