Lazar, Maria; verheiratete Strindberg, Ps. Esther Grenen (1895–1948), Schriftstellerin

Lazar Maria (Franziska), verheiratete Strindberg, Ps. Esther Grenen, Schriftstellerin. Geb. Wien, 22. 11. 1895; gest. Stockholm (S), 30. 3. 1948 (Selbstmord); röm.-kath., später konfessionslos. L. stammte aus einer wohlhabenden, zum Katholizismus konvertierten jüdischen Familie, Tochter des Baurats und Eisenbahndirektors Adolf Lazar, Schwester von →Auguste Lazar, 1923–27 mit dem Journalisten Friedrich Strindberg (1897–1978) verheiratet. – Schon in der Schwarzwald-Schule, wo L. Freundschaft mit Alice Herdan-Zuckmayer und Helene Weigel schloss, wurde ihr literarisches Talent durch →Eugenie Schwarzwald gefördert. Nach der Matura 1914 und acht Semestern Geschichtestudium an der Universität Wien schrieb sie während einer vorübergehenden Anstellung als Lehrerin an Schwarzwalds Landeserziehungsheim Harthof am Semmering ihren ersten Roman „Vergiftung“, der 1920 erschien. Im Jahr darauf erlebte ihr Einakter „Der Henker“ an der „Neuen Wiener Bühne“ seine Uraufführung. L., die nach der baldigen Trennung von Strindberg ihre Tochter Judith (geb. 1924) allein aufzog, schrieb Beiträge u. a. für die „Arbeiter-Zeitung“ und den „Tag“ (Wien), die Zeitschriften „Der Arbeiterwille“ (Graz) sowie „Querschnitt“ (Berlin) und übersetzte außerdem Bücher aus dem Dänischen (u. a. Karin Michaelis), Englischen (u. a. „The Great Gatsby“ von F. Scott Fitzgerald, 1928) und Französischen. Ihre eigenen Werke veröffentlichte sie unter ihrem dänischen Pseudonym, wobei sie sich dabei gleichzeitig als deren Übersetzerin ausgab. Ihr Roman „Der Fall Rist“ erschien 1930 in der Berliner Zeitschrift „Vorwärts“ sowie 1931 in der Wiener „Arbeiter-Zeitung“ in Fortsetzungen. Nachdem ebenfalls 1931 die Kopenhagener Zeitung „Politiken“ „Veritas forhekser Byen“ veröffentlicht hatte (im selben Jahr Buchausgabe in der Übersetzung von Karin Michaelis, 1941 in der Regie von Per Lindberg verfilmt), erschien der deutsche Text unter dem Titel „Veritas verhext die Stadt“ 1931/32 im „Kuckuck“. Bereits im Januar 1933 war die Aufführung ihres Anti-Kriegsstückes „Der Nebel von Dybern“ in Berlin untersagt und nach dem Brand des Reichstages am Stettiner Stadttheater abgesetzt worden. L., die mit dem Widerstandskämpfer Helmuth James von Moltke befreundet war, fand im Sommer 1933 gemeinsam mit Helene Weigel und Bert Brecht bei Karin Michaelis auf der dänischen Insel Thurø Unterkunft. Im Exil schrieb sie Artikel für dänische Zeitungen, u. a. für den „Social-Demokraten“, oder die schwedische „Tidevarvet“ sowie Prosa. 1934 erschien ihr Roman „Leben verboten“ nur in der englischen Übersetzung („No right to live“). Im Herbst 1935 zog sie nach Kopenhagen und emigrierte 1939 nach Schweden, was ihr durch ihre schwedische Staatsbürgerschaft aufgrund ihrer Ehe mit Strindberg möglich war. Dort arbeitete sie in einem Stockholmer Archiv. Ab September 1946 lebte sie, schwer erkrankt, ein Jahr bei ihrer Schwester Auguste in London und kehrte danach wieder nach Stockholm zurück, wo sie sich wegen ihrer unheilbaren Krankheit das Leben nahm. L. setzte sich in ihrem Werk mit dem Nationalsozialismus, Exil und Widerstand auseinander. In ihrer Zitatsammlung „Det tyska ansiktet“ (1943) stellte sie deutschen Klassikern Aussprüche von nationalsozialistischen Politikern gegenüber. Im halbdokumentarischen Roman „Det kom af sig selv“ (1946) beschreibt sie den wachsenden Widerstand der Dänen gegen die deutsche Besatzungsmacht und die Rettung der dänischen Juden 1943 nach Schweden.

Weitere W. (s. auch Bolbecher–Kaiser; Nielsen; Spuren und Überbleibsel): Knorke und andere Beiträge für sozialdemokratische Blätter, in: Noch mehr, ed. E. Früh, Februar 1996 (m. Kurzbiographie).
L.: Bolbecher–Kaiser (m. W.); Hall–Renner; Hdb. jüd. AutorInnen; Kosch; E. Björkman-Goldschmidt, Vad sedan hände, 1964, S. 246–259; B. S. Nielsen, M. L. Eine Exilschriftstellerin aus Wien, in: Text&Kontext. Zeitschrift für germanistische Literaturforschung in Skandinavien 11, 1983, S. 138–194 (m. W.); Geflüchtet unter das dänische Strohdach. Schriftsteller und bildende Künstler im dänischen Exil nach 1933, Kopenhagen 1988, S. 42–52 (Kat., m. B.); Exil in Dänemark. Deutschsprachige Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller im dänischen Exil nach 1933, ed. W. Dähnhardt – B. S. Nielsen, 1993, s. Reg., bes. S. 559–578 (m. B.); M. G. Hall, Der Paul Zsolnay Verlag, 1994, S. 190f.; E. Carlsson, Sverige och tysk motståndsrörelse under andra världskriget, 1998, s. Reg.; B. Spreitzer, Texturen. Die österreichische Moderne der Frauen, 1999, s. Reg.; S. Kebir, H. Weigel, 2002, s. Reg. (m. B.); Spuren und Überbleibsel. Bio-bibliographische Blätter 49, ed. E. Früh, 2003 (m. W.); IKG, UA, WStLA, alle Wien.
(I. Nawrocka)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)