Leder, Hans (1843-1921), Naturforscher und Ethnologe

Leder Hans, Naturforscher und Ethnologe. * Jauernig (Javornik, österr. Schlesien), 4. 2. 1843; † Katharein (Kateřinky, österr. Schlesien), 19. 5. 1921. Besuchte das dt. Gymn. und bis 1863 die Realschule in Troppau. Weitere Stud. an der Bergakad. wurden aus familiären Gründen unterbrochen. Sein starker Hang nach fernen, unerforschten Ländern führte ihn 1867–72 nach Algerien, in das Atlasgebirge und in die Sahara, wo er sich hauptsächlich als Entomologe betätigte und durch die Entdeckung neuer Käferarten erfolgreich war. Nach besserer wiss. Vorbereitung durch E. Reitter folgte 1875–77 eine Reise in den Kaukasus, wo er eine Reihe bisher unbekannter Insektenarten entdeckte, deren wiss. Bezeichnung den Beinamen „Lederi“ erhielten. Nach mehreren Kaukasusreisen 1882–88 in der dt. Kaukasussiedlung Helenendorf bei Jelisabetpol ansässig, von wo aus er ausgedehnte Streifzüge unternahm, deren Ziele Aufnahme von Faunaformation, aber auch andere naturwiss. und darüber hinaus ethnolog. Beobachtungen waren. 1888 lebte er in Mödling bei Wien, wo er mit Reitter die kaukas. Smlgn. bearbeitete. 1891 wurde L. wegen seiner Verdienste um die naturwiss. Erforschung des Kaukasus im Auftrage des Präs. der k. russ. geograph. Ges. nach der Mongolei gesandt, um Insekten zu sammeln. Von Irkutsk aus durchforschte er das Sajan-Gebirge, von Ulan Bator aus zog er mit einer Karawane in das unbegangene Landesinnere. Er blieb lange im Kloster Erdeni-dzu, welches im Zentrum des mongol. Reiches Dschingis-Chans liegt, und in dessen Umkreis er auf die Ruinen der alten Hauptstadt der Uiguren stieß, ausgedehnte inzwischen gänzlich verfallene Bewässerungsanlagen erkannte, und beschriftete Steine auffand. L. kann als eigentlicher Entdecker dieser Ruinenstätten gelten. In den lamaist. Klöstern konnte er auch den Tscham-Tänzen (religiöse Mysterienspiele maskentragender Mönche) beiwohnen und dieselben beschreiben. Er legte auch größere ethnograph. Smlgn. aus der Mongolei für das Mus. für Völkerkde. in Wien an, die im dortigen Sammlungsinventar in den Jahren 1898, 1899 und 1906 nachgewiesen sind und mehrmals in Sonderausst. gezeigt wurden. In seinen späteren Jahren entwickelte sich der Naturforscher L. mehr und mehr zu einem Sammler lamaist. Kulturobjekte. Nach seinem letzten Aufenthalt in der Mongolei während des russ.-japan. Krieges lebte er in seiner Heimat.

W.: Das geheimnisvolle Tibet, 1909; Über alte Grabstätten in Sibirien und der Mongolei, in: Mitt. der Anthropolog. Ges. in Wien 25, 1895, S. 9–16; Im Lande des Lamas, in: Monatsbll. des wiss. Club in Wien 16, 1895, S. 36–42; Eine Sommerreise in der nördlichen Mongolei im Jahre 1892, in: Mitt. der k. k. Geograph. Ges. in Wien 37, 1894, S. 26–57, S. 85–118; Reise an den Oberen Orchon und zu den Ruinen von Karakorum, ebenda, 1894, S. 407–36; etc.
L.: Sudetendt. Ztg. vom 13. 7. 1962; L. Jisl, H. L., ein vergessener Reisender, in: Abhh. und Berr. des Staatlichen Mus. für Völkerkde. Dresden, Bd. 22, 1963, S. 25–52 (mit Schriftenverzeichnis); J. Adam, Ein Schlesier – Entdecker der Residenz des Dschingis-Khan, in: Sudeten-Rundschau vom 16. 11. 1927; R. Bleichsteiner, Die Gelbe Kirche, 1937; A. Kettner, Ehrenhalle für den polit. Bezirk Freiwaldau, 1904 (mit Schriftenverzeichnis).
(Manndorff)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 21, 1970), S. 80f.
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