Leidesdorf, Maximilian (1816-1889), Psychiater

Leidesdorf Maximilian, Psychiater. * Wien, 26. (27). 6. 1816; † Wien, 9. 10. 1889. Sohn des Folgenden, Neffe des Vorigen, Vetter des Notars Franz E. L. (s. d.); 1828–31 Gymnasialjahre in Wien, stud. Phil. und Med. in Pisa, Bonn (1837 Dr. med. et chirur.), Florenz (1838 Dr. med. et phil.). Ab 1848 leitete er eine Privatirrenanstalt in St. Petersburg, 1857 Dr. med. und Habil. an der Univ. Wien für Psychiatrie. Ab 1860 dauernd in Wien, übernahm er gem. mit H. Obersteiner sen. die Leitung der Goergenschen Privatirrenanstalt in Wien-Döbling. 1866 ao. Prof. für Psychiatrie, 1872 Primararzt der Irrenabt. im Allg. Krankenhaus, 1875 Vorstand der Psychiatr. Klinik der niederösterr. Landesirrenanstalt. 1886 Mitgl. des Obersten Sanitätsrates. 1888 i.R. L.s Arbeiten befassen sich mit den primären Formen des Irreseins, mit den Beziehungen der Lungenerkrankungen, der Syphilis, der Chorea minor, der Blutchemie zu den Geistesstörungen. Seine Lehre geht dahin, daß die Phänomene psych. Störung bei den Geisteskrankheiten nicht die Krankheit selbst seien, sondern Symptome. Er sucht für die Ätiol. psychiatr. Erkrankungen engen Kontakt mit der übrigen Med., wie später u. a. J. Wagner-Jauregg. Der Lehre Griesingers verbunden, der nicht Materialist, sondern Somatiker war (wie auch die Autoren der mittelalterlichen Psychopathol.), stand er im Gegensatz zu den Auffassungen der romant. Ärzte Heinroth und Ideler. Durch sein Wirken erwarb er sich bleibende Verdienste um Lehre und Unterricht in der Psychiatrie. L. hatte einen bedeutenden Ruf in Europa und wurde auch zu einem Gutachten über den Geisteszustand des Sultan Murad nach Konstantinopel berufen. Im Obersten Sanitätsrat erstattete er 1889 ein umfassendes Gutachten über die Errichtung von Trinkerasylen mit zwangsweiser Internierung von Trunksüchtigen, das in der Z. „Das österreichische Sanitätswesen“, 1889, samt einem Anhang hiezu in mehreren Fortsetzungen veröff. wurde. Er gründete 1868 mit Meynert und Riedl den „Verein für Psychiatrie und forensische Psychologie“ und war viele Jahre in dessen Vorstand, Mitgl. der k. k. Ges. der Ärzte in Wien, der Ges. der dt. Ärzte in St. Petersburg und Odessa. 1871–78 red. er das „Psychiatrische Centralblatt“.

W.: Pathol. und Therapie der psych. Krankheiten, 1860, 2. Aufl.: Lehrbuch der psych. Krankheiten, 1865; Stud. über die Histol. der Entzündungsherde, gem. mit S. Stricker, 1866; Psychiatr. Stud. aus der Klinik des Prof. Leidesdorf, 1877; etc. Hrsg.: Vierteljahress. für Psychiatrie, gem. mit Th. Meynert, 1867 ff.
L.: N. Fr. Pr. vom 9. und 10. 10. 1889; WMW, Jg. 39, 1889, S. 1583, Wr. klin. Ws., Jg. 2, 1889, S. 828 f.; Das österr. Sanitätswesen, Jg. 1, H. 2, 1889, S. 2, H. 31, S. 275, H. 34, S. 301, H. 42, S. 2; Allg. Z. für Psychiatrie, Bd. 46, 1890, S. 713 f.; Feierl. Inauguration, 1890/91; Psycholog.-neurolog. Ws. 9, 1907/08, S. 248 f.; Th. Kirchhoff, Dt. Irrenärzte, Bd. 2, 1924; Hirsch; Wininger; ADB; Lesky, S. 184 ff.; U. A. Wien; Niederösterr. Landesarchiv, Wien.
(Roth)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 22, 1970), S. 104f.
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