Levstik, Fran (1831-1887), Dichter, Kritiker und Philologe

Levstik Fran, Dichter, Kritiker und Philologe. * Unterretje b. Großlaschitz (Spodnje Retje pri Velikih Laščah, Unterkrain), 28. 9. 1831; † Laibach, 16. 11. 1887. Sohn eines Bauern; absolv. 1853 das Gymn. in Laibach, konnte aber wegen seiner liberalen Gesinnung die Maturitätsprüfung nicht ablegen und versuchte mit einem Stipendium des Erzh. Maximilian v. Este als Zögling des dt. Ritterordens in Olmütz Theol. zu stud. Wegen seiner Gedichte (Pesmi, 1854), welche laut Anklage des Gymnasialkatecheten „Carnalisch und gemein“ waren, mußte er bereits nach dem 1. Semester Olmütz wieder verlassen und alle seine Versuche, die Maturitätsprüfung nachzuholen oder als ao. Hörer an der Wr. Univ. Slawistik zu stud., schlugen fehl. Er lebte nun von sporad. Verdiensten (Hauslehrer, Journalistik, Lexikographie, Vereinstätigkeit), bis er 1872 durch den energ. Einsatz von F. Miklosich und G. Muys wegen seiner philolog. und schriftsteller. Verdienste zum Kustos der Lyzeal-Bibl. in Laibach ernannt wurde, obwohl er das vorgeschriebene Alter überschritten hatte. Als Dichter schuf L. den realist. Gegenpol zu Prešerens romant. Poesie, obwohl er ihm als Künstler nachsteht. Neben den vom Verleger auf Betreiben von L.s Gegnern aus dem Handel gezogenen „Pesmi“ gehören erot. Zyklen wie Tonine pesmi (Antonia-Lieder, 1856/57) und Franjine pesmi (Franziska-Lieder, 1869–72) sowie Otročje igre v pesencah (Kinderspiele in Liedform, in: Vrtec, 1880–86) und eine Reihe von scharfen Satiren zum Grundbestand der älteren slowen. Dichtung. Noch höher ist L.s einzige vollendete Erzählung Martin Krpan z Vrha (Martin Krpan aus dem Dorfe Vrh, 1858) zu werten, die einen klass. Übergang vom volkstümlichen Nacherzählen zum Schaffen aus freier Phantasie darstellt. L. schrieb 1855 ein Volksstück, „Juntez“, und schuf 1876 aus dem handschriftlichen hist. Schauspiel in Prosa von J. Jurčič (s. d.) eine nationale Tragödie in Blankversen. Als Realist und Demokrat trat L. oft für volksnahe Literatursprache ein und bekämpfte heftig sowohl Sprachwidrigkeiten und Manierismen der romant. Epigonen als auch den germanisierenden Stil der älteren krain. Literaten. Dies war auch der Grundgedanke seiner philolog. Kritik, Lexikographie und Linguistik. Doch scheiterte er als Lexikograph und Grammatiker wegen seiner zu hoch gesteckten Ziele: Er wollte die slowen. Sprache in ihrer ursprünglichen, reinslaw. Form rekonstruieren. Als Politiker war L. freisinnig und national (Jungslowene) und suchte einige Zeit — leider ergebnislos — weltanschauliche Zusammenarbeit mit den krain. Vertretern des österr. Liberalismus. Er wandte sich dann dem kompromißlosen slowen. Nationalismus zu, mußte jedoch nach dem Eintritt in den Staatsdienst öff. polit. Tätigkeit entsagen. Er starb innerlich zerrissen durch diese und andere Widersprüche, geplagt von einer schweren, jahrelangen Nierenkrankheit, nach einer Phase rührender Frömmigkeit, verlassen und tief unglücklich.

W.: Napake slovenskega pisanja (Fehler der slowen. Schreibweise), 1858; Popotovanje iz Litije do Čateža (Eine Wanderung von Littai bis Čatež), 1858; Pesmi (Gedichte), in: Vodnikov spomenik (Vodnik Album), 1859; Franjine pesmi (Franziska-Lieder), in: Zvon, 1870 und Ljubljanski zvon, 1881; etc. Levstikovi zbrani spisi (Ges. Werke), hrsg. von F. Levec, 5 Bde., 1891–95; Fr. Levstika zbrano delo, III–VI, (Ges. Werke), hrsg. von A. Slodnjak, 1931–35; Zbrano delo I–IX, (Ges. Werke), hrsg. von A. Slodnjak, 1948 ff.; Levstikova pisma (L.s Briefe), red. von A. Pijevec, 1931.
L.: Österr. Rundschau, Bd. 3, 1905, S. 464; F. Levec, Biographie, in: F. Levstik, Zbrani spisi (Ges. Werke), Bd. 5, 1895; A. Slodnjak, F. L., prvi predstavnik realizma v slovenski književnosti (F. L., der erste Realist in der slowen. Literatur), in: Študija in eseji (Stud. und Essays), 1966, S. 158–71; SBL 1; Wurzbach; Enc. Jug. 5; Nar. Enc. 2; Otto 13 (s. Jugoslawen); A. Slodnjak, Geschichte der slowen. Literatur, 1958; Zgodovina slovenskega slovstva (Geschichte der slowen. Literatur), Bd. 2, 1959, Bd. 3, 1961; A. Slodnjak, Slovensko slovstvo (Slowen. Literatur), 1968 (s. Reg.); ders., Pogine naj pes (Krepieren soll der Hund, biograph. Roman), 2 Bde., 1946, 2. Aufl. 1966.
(Slodnjak)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 22, 1970), S. 167f.
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