Löw, Leopold (Lipót) (1811-1875), Rabbiner und Publizist

Löw Leopold (Lipót), Rabbiner und Publizist. * Černahora (Černá Hora, Mähren), 22. (23.) 5. 1811; † Szegedin (Szeged, Ungarn), 13. 10. 1875. Vater des Theol. und Orientalisten Immánuel L. (s. d.) und des Juristen Tóbiás L. (s. d.). L., der als Rabbiner in den ung. Gemeinden Groß-Kanizsa (ab 1841), Pápa (ab 1846) und Szegedin (ab 1850) wirkte, erhielt seine Ausbildung in verschiedenen Jeschibot und an der Pester und Wr. Univ. Erst im reifen Mannesalter erlernte er das Ung., und zwar so vollkommen, daß er als einer der ersten Rabbiner in dieser Sprache predigte und 1870 einen Bd. Synagogal-Reden (die erste derartige Smlg.) sowie mehrere Schriften in ung. Sprache herausgab. Er bemühte sich um die Verbreitung der ung. Sprache und Kultur unter den Juden und stand auch in nichtjüd. Kreisen in hohem Ansehen. In religiöser Beziehung vertrat er die Auffassung, daß eine Reform rabbin. Riten auf rabbin. Standpunkt möglich und zu verwirklichen sei. Auf Grund dieser Anschauung widmete er Aaron Chorin eine eingehende Biographie und nahm an den Synoden in Breslau (1845) und Leipzig (1870) teil. In Pápa war er heftigen Angriffen seitens der Orthodoxie ausgesetzt, die ihn schließlich zur Aufgabe seiner dortigen Stellung zwangen. L. war ein eifriger Vorkämpfer der jüd. Emanzipation in Ungarn. Wegen seiner Reden an die ung. Freiheitskämpfer (1848) wurde er 2 Monate lang in Pest gefangen gehalten. Er war der erste Gelehrte, der die Geschichte der Juden in Ungarn zu erforschen suchte und eine Übers. der Bibel ins Ung. anregte. Er gehörte auch zu den Initiatoren eines Rabbinerseminars in Ungarn. Auf Veranlassung der absolutist. Regierung arbeitete er 1851 einen Organisationsentwurf für die jüd. Gemeinden aus und wurde auch später zu allen Beratungen in dieser Frage hinzugezogen. Als aber 1868 ein jüd. Landeskongreß zur Errichtung einer Gemeindeorganisation abgehalten wurde, blieb er wegen Meinungsverschiedenheiten mit anderen führenden Persönlichkeiten dieser Veranstaltung fern und übte in mehreren Schriften scharfe Kritik an ihr. Durch seine Abh. über den jüd. Eid, die auch in der Ung. Akad. der Wiss. vorgelesen worden war, trug er zur Abschaffung dieses Überbleibsels aus der mittelalterlichen Gerichtsübung bei. L.s wiss. Bedeutung ist bereits durch die Hrsg. der Z. „Ben Chananja“ (zu den Mitarbeitern zählten führende Fachleute), durch deren Erscheinen Szegedin zu einem Mittelpunkt jüd. Gelehrsamkeit wurde, gekennzeichnet. Seine größte wiss. Leistung sind die beiden Bde. seiner Beitrr. zur jüd. Altertumskde.

W.: Hamaphteach. Prakt. Einleitung in die Hl. Schrift und Geschichte der Schriftauslegung, 1855; Történelmi és vallástudományi értekezések (Hist. und theolog. Abhh.), 1861; Die jüd. Wirren in Ungarn (unter dem Ps. Leon da Modena Redivivus), 1868; Zur neueren Geschichte der Juden in Ungarn, 2. Aufl. 1874; Zsinagógai beszédek (Kanzelreden), 1870, 2. Aufl. 1883; Beitrr. zur Geschichte der jüd. Alterthumskde., Bd. 1: Graph. Requisiten und Erzeugnisse bei den Juden, 2 Tle., 1870–71, Bd. 2: Die Lebensalter in der jüd. Literatur, 1875; etc.; zahlreiche Abhh. in Z. in dt., ung. und französ. Sprache; Ges. Schriften, 5 Bde., hrsg. von J. Löw, 1889–1900. Hrsg.: Z. Ben Chananja, 1858–67.
L.: Az Ujság vom 21. 5., Pester Lloyd vom 28. 5., Pesti Napló vom 29. 5., Szegedi Hiradó vom 21. 5. 1911; Israelit. Jb., 1860/61, S. 110; Ország-Világ, 1911, S. 476 f.; Magyar Izrael 4, 1911, S. 90 ff.; M. Feitel, Reminiscenzen aus meinem Umgange mit L. L., 1885; J. Löw – S. Kulinyi, A szegedi zsidók (Die Szegediner Juden). 1885, S. 172 ff.; A. Kohut, Berühmte israelit. Männer und Frauen, Bd. 2, 1900; Irodalmí Lex. 2, 1965; M. Zsidó Lex.; Wininger; Jew. Enc.; Enc. Jud.; Jüd. Lex.; Das geistige Ungarn; M. Életr. Lex. 2; Pallas 11; Révai 13; Szinnyei 8; Wurzbach.
(Benda–Muneles)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 23, 1971), S. 285
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