Löwe, Johann Heinrich (1808-1892), Philosoph

Löwe Johann Heinrich, Philosoph. * Prag, 8. 12. 1808; † Prag, 15. 1. 1892. Stud. ursprünglich Rechtswiss. und wurde dann Praktikant beim Wr. Kriminalgericht, aber das Interesse für die Phil., durch seinen Vetter J. E. Veith und dessen Freund A. Günther (s. d.) geweckt, war stärker. Der Günther nahestehende Erzbischof von Salzburg, Fürst Friedrich Schwarzenberg, setzte 1838 die Berufung L.s als Philosophieprof. an das Lyzeum in Salzburg durch, wo er auch den Alumnen im Priesterseminar Vorlesungen über Metaphysik und Moralphil. im Geiste Günthers hielt. Ähnlich wie die anderen Güntherianer vertrat L. 1848 einen gemäßigten Liberalismus gegen die demokrat.-revolutionäre Bewegung und leitete in diesem Geiste die „Constitutionelle Salzburger Zeitung“. 1851 wurde er, wieder mit Hilfe Schwarzenbergs, ao. Prof. für Phil. an der Univ. Prag. Da er sowohl den die Hochschulabt. im Unterrichtsmin. beherrschenden Herbartianern wie den in Österr. immer stärker zur Macht kommenden röm. Kreisen als Güntherianer gleich suspekt war — 1857 erfolgte die Indizierung der Schriften Günthers —, wurde er erst 1858 o. Prof. für Phil. an der Univ. Prag. 1863/64 Rektor, trat er im böhm. Landtag 1864 als Berichterstatter entschieden dafür ein, Dt. und Tschech. als obligator. Unterrichtsfächer an allen Gymn. des Landes einzuführen. Mit seinem Gönner Schwarzenberg gehörte er dem kath. Liberalismus an und nahm in diesem Geist an dem Gelehrtenkongreß in München (1863) und an der Philosophen- und Theologentagung Nürnberg (1870) teil. 1854 ao., 1859 o. Mitgl. der kgl. Böhm. Ges. der Wiss. zu Prag. In seinen philosoph. Arbeiten vertrat er bis zu seinem Tod einen gemäßigten Güntherianismus. Seine bedeutendste wiss. Arbeit ist die Stud. über die Phil. Fichtes nach dem Gesamtergebnis seiner Entwicklung und ihrem Verhältnis zu Kant und Spinoza. Wie diese Stud. ist seine Arbeit „Über den Kampf des Realismus mit dem Nominalismus im Mittelalter“ durch seinen Güntherianismus angeregt. Gegen Bolzano (s. d.) und R. Zimmermann schrieb er das „Lehrbuch der Logik“. Und noch als 81jähriger suchte L. ganz im Geiste Günthers die „Spekulative Idee der Freiheit“ zu begründen. Sehr wertvoll für die Geschichte des religiösen Denkens in Österr. im 19. Jh. ist seine pietätvolle Biographie J. E. Veiths.

W.: Über den Begriff der Logik, 1849; Die Phil. Fichtes . . . , 1862; Der Kampf zwischen dem Realismus und Nominalismus im Mittelalter, sein Ursprung und sein Verlauf, in: Abhh. der kgl. Böhm. Ges. der Wiss., 1876; J. E. Veith, Eine Biographie, 1879; Lehrbuch der Logik, 1881; Die spekulative Idee der Freiheit, ihre Widersacher, ihre prakt. Verwertung, 1890; etc.
L.: Eisler; Enc. Filosofica, Bd. 3, 1957; Ziegenfuß; Wurzbach; Masaryk 4; Otto 16; Rieger 4; E. Winter, A. Günther und seine Schule, 1931; P. Wenzl, Das wiss. Anliegen des Güntherianismus, 1961; C. Wolfsgruber, Kardinal Fr. Fürst Schwarzenberg, 3 Bde., 1906–17; E. Winter, Frühliberalismus in der Donaumonarchie, 1968.
(Winter)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 23, 1971), S. 288
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