Loos, Adolf (1870-1933), Architekt und Schriftsteller

Loos Adolf, Architekt und Schriftsteller. * Brünn, 10. 12. 1870; † Kalksburg (N.Ö.), 23. 8. 1933. Sohn des Steinmetzen und Bildhauers Adolf L. (1830–79); besuchte 1885–88 in Reichenberg, 1888/89 in Brünn die Gewerbeschule, stud. 1890 ein Semester an der Techn. Hochschule Dresden. 1893 bis 1896 lebte er in den USA, u. a. in Philadelphia, Chicago, New York und St. Louis. 1896/97 soll L. in Wien Mitarbeiter des Architekten K. Mayreder gewesen sein. Zurückgekehrt widmete er sich krit. schriftsteller. Arbeit (Aufsatzreihe in der „Neuen Freien Presse“ anläßlich der Wr. Jubiläumsausst. 1898, im gleichen Jahre Wr. Korrespondent der neugegründeten Z. „Dekorative Kunst“ des Verlages Bruckmann, Aufsätze in österr. Z. wie „Die Wage“, „Die Zeit“) und arbeitete auch am 1. Jg. (1898) der Z. „Ver Sacrum“ der Wr. Secession mit, in deren Gebäude er das „Ver Sacrum“-Zimmer einzurichten erfolglos bestrebt war; es kam aber noch im selben Jahr zum Bruch mit den Architekten dieser Vereinigung. L. skizzierte Ideen zu der Preiskonkurrenz für die K.-Jubiläumskirche in Wien und beschäftigte sich mit Stadtplanungsfragen. Sein erster größerer Auftrag war die Einrichtung des „Café Museum“ in Wien, 1899. 1900–10 war L’. Haupttätigkeit das Einrichten von Wohnungen in Wien und Pilsen und das Entwerfen von Geschäftsportalen. In seinen Arbeiten wie in seinen Vorträgen vertrat L. die Ansicht, daß es mit dem Ornament am Gebrauchsgegenstand im weitesten Sinn vorbei sei. Angeblich um 1908 in München und Berlin, sicher aber am 22. 1. 1910 in Wien hielt L. seinen berühmt gewordenen Vortrag „Ornament und Verbrechen“, 1911 sprach er über das Geschäfts- und Wohnhaus am Michaelerplatz in Wien, den größten ausgeführten Bau seines Lebens. 1921/22 war L. Chefarchitekt des Siedlungsamtes der Stadt Wien; nur ein Teil der Mustersiedlung Heuberg wurde fertiggestellt, das System L. für Siedlungshäuser in Österr. und Deutschland patentiert. Auch der durchgearbeitete Entwurf eines Terrassenhauses der Gemeinde Wien mit Hochstraßen vor den einzelnen Wohnungen blieb unausgeführt. 1922 baute L. sein erstes „Raumplan“-Haus, die Villa Rufer; der Raumplan, das Bauen mit verschieden hohem Niveau, wurde nun in seinem Werk bis zur größten Vollendung im Haus Dr. Müller, Prag 1930, weitergebildet. Ab 1933 lebte L. viele Monate in Frankreich, vor allem in Paris, wo das Haus für den Dichter T. Tzara sein einziger ausgeführter Bau ist. Sein zukunftsträchtiger Entwurf einer Gruppe von zwanzig Villen mit Dachgärten, ein Haus für J. Baker, sein „Grandhotel Babylon“, ein Terrassenhaus für die Riviera, an der er, vor allem in Juan les Pins, monatelang lebte, wurden nicht realisiert. L. hielt auch an der Sorbonne Vorträge. Er pendelte zwischen Frankreich, Wien und Pilsen, wo er Wohnungen einrichtete, hin und her. 1924/25 war er (mit Markalous, Vanek, Wiesner) im Redaktionskomitee der tschech. und dt. erscheinenden Prager Z. „Bytová Kultura“ (Wohnungskultur). L., der sich zeitlebens zur klass. Baukunst der Römer bekannte, war der traditionsbewußteste unter den großen Erneuerern der Architektur in der Welt um 1900. Im Geiste seiner Zeit versuchte er, dem Menschen seinen Lebensraum zu schaffen. Eine Arbeitersiedlung in Babi bei Nachod 1931 war sein letztes Werk.

W.: Café Museum, 1899, Wohnungen: Eigene Wohnung, 1903, jetzt im Hist. Mus. der Stadt Wien, A. Kraus, 1905, Schwarzwald, 1905, Khuner, 1907, Kärntner Bar, 1907, Konkurrenzentwurf Kriegsmin., 1907, Haus Steiner, 1910, Geschäfts- und Wohnhaus, 1910/11, Michaelerpiatz, Haus Scheu, 1912; Haus, 1913, Sauraugasse, Café Capua, 1913, Herrenmodegeschäft Kniže, 1913, Haus Duschnitz (Umbau), 1915, Projekt für die Verbauung der Gartenbau-Gründe mit Kaiserdenkmal, 1916, Haus Strasser (Umbau), 1919, Mustersiedlung, 1920, Heuberg (teilweise ausgeführt), Haus Rufer, 1922, Projekt für ein Terrassen-Wohnhaus der Gemeinde Wien, 1923, Haus Moller, 1928, alle Wien; Villa Karma, 1904–06, Clarens am Genfer See; Wohnung Hirsch, 1908, Pilsen; Projekte eines großen Hotels und der Schwarzwaldschule auf dem Semmering, 1913; Villa und Fabriksgebäude, 1916–19, Rohrbach b. Brünn; Haus Spanner, 1923, Gumpoldskirchen N.Ö.; Haus Tristan Tzara, 1926, Paris; Wohnungen Vogl, Hans Brummel, Leo Brummel, 1929/30, Brünn; Landhaus Khuner,1930, Payerbach N.Ö.; Haus Dr. Müller, 1930, Prag. Publ.: Aufsatzreihe anläßlich der Wr. Jubiläumsausst. von 1898, in: N. Fr. Pr. vom 15. 5.–23. 10. 1898; Das Andere. Ein Bl. zur Einführung abendländ. Kultur in Österr., H. 1–2, 1903; Wohnungswanderungen, 1907; etc. Ins Leere gesprochen 1897–1900, 1921, Trotzdem 1900–30, 1931, 2. Aufl.: Die Schriften von A. L., 2 Bde., 1931–32; Sämtliche Schriften, hrsg. von F. Glück, bisher Bd. 1, 1962. Hrsg.: Richtlinien für ein Kunstamt, gem. mit A. Schönberg, L. Münz, L. Liegler u. a., 1918.
L.: Die Fackel, Jg. 11, Bd. 34, 1909, S. 25 ff.; Das neue Frankfurt 5, 1931, H. 1; Vient de Paraitre 11, 1931, S. 87 ff.; Der Kunstwort, Jg. 44, 1931, S. 388 ff.; Architektura, 1933, n. 11; Der Aufbau, 1958, H. 10, 1964, H. 4/5; Casabella, 1959, n. 233; Bau, 1970, H. 1; E. Lasker–Schüler, L., in: E. L.–Sch., Gesichte, 1913; K. Marilaun, A. L., 1922, tschech. 1929; A. L., Zum 60. Geburtstag (Festschrift), 1930; H. Kulka–F. Glück–L. Münz, A. L., 1931; F. Glück, A. L., 1931; K. Kraus, A. L., Rede am Grab, 1933; L. Münz, Vorwort zu A. L., Die alte und die neue Richtung in der Baukunst, in: Alte und neue Kunst, Jg. 2, 1953, S. 115 f.; ders., A. L., 1956 (italien.); L. Münz–G.Künstler, Der Architekt A. L., 1964; E. Altmann–Loos, A. L., der Mensch, 1968; Bénézit 5; Thieme–Becker; Vollmer; Giebisch–Gugitz; Kosch; Nagl–Zeidler–Castle, Bd. 4, s. Reg.; A. Schmidt, Dichtung und Dichter Österr., Bd. 1, 1964, S. 253, 324; R. Schaukal, Ein Haus und seine Zeit, in: Der Merker, Jg. 2, 1910, S. 181 ff.; H. Czech–W. Misterbauer, Das Looshaus, 1966; Th. W. Adorno, Funktionalismus heute, in: Neue Rundschau, Jg. 77, 1966, S. 585 ff.; A. L. 1870–1933, Ausst.-Katalog Würthle, Wien 1961; Ausst. A. L., Mus. des 20. Jh., Katalog 13, 1964.
(Glück)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 24, 1971), S. 308f.
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