Lorenz, Adolf (1854-1946), Orthopäde

Lorenz Adolf, Orthopäde. * Weidenau (Vidnava, österr. Schlesien), 21. 4. 1854; † Altenberg b. Greifenstein (N.Ö.), 12. 2. 1946. Sohn eines Sattlermeisters; war zuerst Lehrling bei einem Gemischtwarenhändler in Graz und hatte dann am Gymn. des Benediktinerstiftes St. Paul i. L. einen Freiplatz gegen die Verpflichtung als Sängerknabe und Ministrant; er stud. ab 1874/75 an der Univ. Wien Med., 1880 Dr. med., dann Operationszögling und Ass. an der Ersten Chirurg. Klinik bei E. Albert (s. d.). 1884 habil. für Chirurgie, mußte er wegen Empfindlichkeit der Haut die Chirurgie aufgeben und wandte sich, von Albert angeregt, der Orthopädie zu, die bisher innerhalb der Chirurgie ein Schattendasein geführt hatte. L. war ein Plastiker, nicht der toten Materie, sondern des lebenden, deformierten Gewebes, welches er von der Fehlform zur Normalität „zurechtknetete“. Durch seinen Leitgedanken, die Wiederherstellung der Funktion durch Wiederherstellung der Form zu erreichen, kam er auf das „Modellierende Redressement“ von Platt- und Klumpfuß, die Fixierung tuberkulös erkrankter Gelenke im Gipsverband, sein berühmtes Gipsbett für Spondylitis. Um krumme Röhrenknochen gerade zu machen, erfand er die Korrektur mit dem Meissel oder den unblutigen gezielten Knochenbruch. Seine größte orthopäd. Tat war die Heilung der angeborenen Hüftverrenkung durch unblutige Einrichtung. Aus der ganzen Welt strömten Patienten und Ärzte nach Wien. 1889 wurde L. ao. Prof. der Orthopädie, der erste in Österr. Es folgte die Errichtung der orthopäd. Station im Wr. Allg. Krankenhaus, größtenteils aus eigenen Mitteln. 1902 wurde er erstmals zu einer Operation nach Chicago berufen. Nach dem Ersten Weltkrieg bemühte er sich auf Ersuchen der österr. Regierung um die Wiederaufnahme kultureller Beziehungen zwischen Österr. und den Vereinigten Staaten und sammelte bei seinem Aufenthalt in Amerika durch populäre Vorträge beträchtliche Summen für hungernde Wr. Kinder und notleidende Studenten. 1922 tit.o. Prof., 1924 em. Nach seiner Emeritierung reiste er durch 12 Jahre mit seinem Sohn, dem Orthopäden und Schriftsteller Albert L. († 1970), jeden Winter zu orthopäd. Tätigkeit nach New York. L. war ein hervorragender Sportler (Langstrecken-Eisläufer, Reiter, Tennisspieler, Radfahrer, Motor- und Schifahrer) und begeisterter Reisender (Nordmeer, USA, Ägypten, Indien), der sich auch schriftsteller. betätigte. L., mit einer Tochter des Schriftstellers Z. K. Lecher (s. d.) verheiratet, machte seinen Besitz in Altenberg bei Greifenstein zu einem Treffpunkt vieler bedeutender Zeitgenossen, darunter Schönherr und R. Engländer (s. d.), der sein Ps. Altenberg nach diesem Ort wählte. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. Ehrenbürger von Newark (N.Y.), Ehrenmitgl. zahlreicher gel. Ges.

W.: Über Darmwandbrüche, 1883; Die Lehre vom erworbenen Plattfuße, 1883; Über die operative Orthopädie des Klumpfußes, in: Wr. Klinik, 1884, H. 5–6; Pathol. und Therapie der seitlichen Rückgratverkrümmungen (Scoliosis), 1885; Die erste Hülfe bei plötzlichen Unglücksfällen, 1885; Die Behandlung der tuberkulösen Spondylitis, in: Wr. Klinik, 1889, H. 5; Orthopädie der Hüftgelenks-Contrakturen und Ankylosen, in: Smlg. med. Schriften, n. 1, 1889; Über die mechan. Behandlung der Coxitis und der fungösen Gelenks-Erkrankungen der unteren Extremitäten überhaupt, in: Wr. Klinik, 1892, H. 10–11; Über Osteoklase und das modellirende intraarticuläre Redressement der Kniegelenks-Contrakturen und des genu valgum, ebenda, 1893, H. 6–7; Pathol. und Therapie der angeborenen Hüftverrenkung auf der Grundlage von 100 operativ behandelten Fällen, 1895; Über die Heilung der angeborenen Hüftgelenks-Verrenkung durch unblutige Einrenkung und functionelle Belastung, 1900; Die Orthopädie in der inneren Med., gem. mit A. Saxl, in: Spezielle Pathol. und Therapie, Supplement, hrsg. von L. v. Frankl–Hochwart, 1911; Die sogenannte angeborene Hüftgelenksverrenkung, ihre Pathol. und Therapie, in: Dt. Orthopädie, hrsg. von H. Gocht, Bd. 3, 1920; etc. Mehrere Handbuchbeitrr.; zahlreiche Abhh. in Fachz.
L.: A. L., Aus meinem Leben, in: WMW, Jg. 74, 1924, S. 1679; Die Med. der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hrsg. von L. R. Grote, Bd. 3, 1924, S. 89 ff.; A. L. My Life and Work, 1936, dt.: Ich durfte helfen, 1937; Völk. Beobachter (Wr. Ausgabe) vom 20. 4. 1944; Sudetendt. Ztg. vom 30. 4. 1964; Wr. klin. Ws., Jg. 37, 1924, S. 577, Jg. 47, 1934, S. 499, Jg. 57, 1944, S. 183, Jg. 67, 1954, S. 63 f., 648 ff.; Forschungen und Fortschritte, Jg. 10, 1934, S. 147; Med. Klinik, 1934, S. 595; WMW, Jg. 84, 1934, S. 453, Jg. 96, 1946, S. 209 ff., Jg. 104, 1954, S. 704; Med. Welt, Jg. 18, 1944, S. 82; Acta orthopaedica Scandinavica, 1946; Z. für Orthopädie und ihre Grenzgebiete, Bd. 84, 1953/54, S. 513 f.; Verhh. der dt. Orthopäd. Ges. 42, 1955, S. 7 ff.; Altvater-Jb., 1970; Österr. Ärzte als Helfer der Menschheit, in: Notring-Jb., 1957; Fischer, Bd. 2, S. 941 f.; Pagel; Österr. Naturforscher, Ärzte und Techniker, 1957, S. 134 ff.; Kürschner, Gel.Kal., 1926–35; Jb. der Wr. Ges., 1929; Große Sudetendt., hrsg. von J. Schneider, in: Ostlandheimat und weite Welt 2, 1957; N. Österr. Biographie, Bd. 11, 1957; Von Prinz Eugen bis Karl Renner. Österr. Lebensbilder, hrsg. von V. Buchgraber, 1961; Wer ist Wer?; Kosch, Das kath. Deutschland; Wer ist’s? 1906–14; Österr.-Lex., hrsg. von R. Bamberger und F. Maier–Bruck, Bd. 2, 1967; Masaryk 4; Otto 16; Schönbauer; J. W. König, Das Schrifttum des Ostsudetenlandes, 1964; Ostdt. Gedenktage 1971, o. J.; A. Lorenz, Wenn der Vater mit dem Sohne, 1952; G. Homann, Ein Arzt erlebt seine Zeit, 1954, S. 58 ff., 68 ff.; U. A. Wien.
(A. Lorenz)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 5 (Lfg. 24, 1971), S. 314f.
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