Marcus, Siegfried (1831-1898), Techniker und Pionier des Kraftfahrwesens

Marcus Siegfried, Techniker und Pionier des Kraftfahrwesens. * Malchin (Mecklenburg), 18. 9. 1831; † Wien, 1. 7. 1898. Erlernte den Mechanikerberuf und trat 1848 in die soeben gegründete Fa. Siemens & Halske in Berlin ein. M. kam 1852 nach Wien und arbeitete ab 1853 in der Werkstatt des Hofmechanikers Kraft. 1855 war er Mechaniker im k. k. physikal. Inst. der Univ. Wien. 1860 machte er sich selbständig. Er legte in der Wr. Hofburg für Kn. Elisabeth (s. d.) eine elektr. Klingelleitung an und erteilte dem Kronprinzen Rudolf naturwiss. Unterricht. M. wurden in Österr. 38 Privilegien erteilt, die vielfach auch im Ausland angemeldet worden waren. Sein magnet-elektr. Zündapparat, für den er 1864 ein österr. Privileg erhalten hatte, brachte den größten finanziellen Erfolg. Als „Wiener Zünder“ bei der österr. Marine und den Pionieren sowie bei der preuß. und russ. Armee eingeführt, wurde dieser auch bei der Weltausst. Paris 1867 neben einer ebenfalls von M. konstruierten Thermosäule, einem magnet-elektr. Rotationsapparat zum elektr. Licht sowie Feldtelegraphen gezeigt. Sein Ruf beruht jedoch vor allem auf den Versuchen, einen Kraftwagen mit Verbrennungsmotor zu schaffen. Bereits 1870 hatte er einen direkt und einfach wirkenden Verbrennungsmotor in einem Handwagen montiert, wobei die Schwungräder dieses Motors gleichzeitig als Antriebsräder dienten. Als Antriebsmittel verwendete er den „ersten Sprung des Petroleumdestillates“. M. war somit der erste, der ein Fahrzeug mit einem elektr. gezündeten Benzinmotor antrieb. Von diesem Wagen existiert nur mehr ein von M. eigenhändig signiertes und datiertes Bild. Wesentlich mehr Bedeutung wurde seinem zweiten, erhalten gebliebenen Fahrzeug zugeschrieben, welches einen einzylindrigen, liegenden Viertakt-Benzinmotor, magnet-elektr. Zündung und Spritzbürstenvergaser eigener Konstruktion hatte. Es wurde 1888 von der Maschinenfabrik Märky, Bromovsky & Schulz in Adamsthal gebaut, die 1887 die Produktion des von M. für stationäre Zwecke entwickelten Viertakt-Motors übernommen hatte. Als Baujahr dieses Fahrzeuges wurde zuerst 1877, dann 1875 angegeben und diese Jahreszahl auch in spätere Publ. übernommen. Die neuesten Ergebnisse der Forschung haben jedoch gezeigt, daß dieser Wagen nicht vor 1888 gebaut worden sein kann, weshalb die M. von der Nachwelt zugeschriebene Vorrangstellung in der Entwicklung des Viertakt-Motors (Otto-Patent 1876) revidiert werden mußte.

L.: Z. des Österr. Ing.- und Architektenver., Jg. 80, 1928, S. 262 ff., 285 ff.; E. Kurzel-Runtscheiner, S. M., 1928, 2. Aufl. 1956; Lebensbild eines österr. Erfinders, 1956; G. Goldbeck, S. M. Ein Erfinderleben, in: Beitrr. zur Technikgeschichte, 1961; M. Habacher, Österr. Erfinder, in: Österr.-Reihe, Bd. 226/28, 1964; K. Tanzer, Österr. Erfinder, in: Bücher der Heimat, Bd. 4, 2. Aufl. o. J.; Österr. Naturforscher und Techniker, S. 143; R. Eger, Genie ohne Erfolg, 1957; Wininger; Enc. Jud.; Jew. Enc.; Jüd. Lex.; Wurzbach; Biograph. Jb., 1903; H. Seper, Damals, als die Pferde scheuten – Die Geschichte der österr. Kraftfahrt, 1968, S. 289 ff.
(H. Seper)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 26, 1973), S. 72f.
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