Matejko, Theo; eigentlich Matejka (1893–1946), Maler, Graphiker und Illustrator

Matejko Theo, eigentlich Matejka, Maler, Graphiker und Illustrator. Geb. Wien, 18. 6. 1893; gest. Thiersee (Tirol), 9. 9. 1946; bis 1915 röm.-kath., dann evang. M., als Künstler Autodidakt, entwarf sein erstes nachweisbares Plakat 1913 zur Eröffnung des Flottenvereins-Kinos in Wien 6, 1914 begann er mit Werbung für verschiedene Wiener Filmverleihfirmen. Ab Anfang 1915 an der galizischen Front, arbeitete er nach einer Verwundung als Kriegsmaler für das Kriegspressequartier. Bis 1917 entwarf er für den Rob-Verlag Kinoreklame, die auch in kinemathographischen Zeitschriften erschien. Gleichzeitig war er bereits ab 1916 Mitarbeiter der Leipziger „Illustrirten Zeitung“. Zu Kriegsende schuf er das Graphik-Mappenwerk „Ein ABC aus unserer Zeit“ mit 26 Originallithographien und eine Affiche, die seine Ateliergründung bewarb: „Der Krieg ist aus! Der Wettbewerb beginnt! Die beste Wirkung erzielen Matejko-Plakate“. 1919 und 1920 dominierten seine Plakate, v. a. die zahlreichen Filmplakate, die meist in enger Kooperation mit der Druckerei Waldheim-Eberle entstanden, das Straßenbild Wiens und waren Tagesgespräch. Kurzfristig gab es 1919–20 auch eine Zusammenarbeit mit dem ungarischen Graphiker Marcel Vertès, u. a. beim Filmplakat zu „Das Cabinet des Dr. Caligari“. Für die Nationalratswahlen 1919 schuf er markante Wahlplakate für die Bürgerlich-Demokratische Partei und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei („Wählet Sozialdemokratisch!“, 1919; „Die Bürgerlich-Demokratische Partei“, 1919). Für Letztere zeichnete er auch „Wahlbilderbogen“ im Stil früher Comic-Strips. Vermutlich aufgrund eines äußerst positiven Artikels in der Zeitschrift „Das Plakat“ wurde er im Oktober 1920 nach Berlin engagiert und arbeitete fortan als vielbeschäftigter Plakatkünstler und Zeitschriftenillustrator für die UFA und den Ullstein-Verlag, dort vornehmlich für die „Berliner Illustrierte Zeitung“ und den „UHU“. M.s zeichnerischer, „französischer“ Stil stand in fundamentaler Opposition zum Berliner Sachplakat und so den Zeitschriftenillustrationen stilistisch näher als den herkömmlichen Plakatsujets mit ihren flächenhaften Bildlösungen. Die Filmreklame verdankt M. einige Innovationen: So kreierte er 1922 für den Filmklassiker „Dr. Mabuse“ eine Anzeigenserie, die eine Frühform einer Teaser-Kampagne war, und schuf 1925 für den Hollywoodstreifen „Die Zehn Gebote“ 40 Plakattafeln für einen Berliner U-Bahnhof. Im selben Jahr entstand eine Kunstmappe mit acht Originallithographien für den Stummfilm „Der letzte Mann“ mit Emil Jannings in der Hauptrolle. Mit dem Ende der Stummfilmära verflachte sein Stil und war nicht mehr sehr gefragt. Auf dem Parkett der Berliner Gesellschaft um 1930 inszenierte sich M. als Dandy und versuchte sich nebenbei auch als Autorennfahrer. 1937 wurde er nach einer Gefängnisstrafe vom Ullstein-Verlag entlassen und begann, trotz seines angeblichen ambivalenten Verhältnisses zum Nationalsozialismus, für die NS-Zeitschrift „Die Wehrmacht“ zu arbeiten. Ab 1942 war er als Kriegsberichterstatter im NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps) tätig. 1945 wurde er zum Schöpfer einer der letzten Briefmarken des Deutschen Reichs, die allerdings nicht mehr zur Ausgabe gelangte. Zu Kriegsende floh er aus Berlin nach Bregenz. Dort erschienen in der regionalen Zeitschrift „Homunculus“ 1945–46 seine letzten Zeichnungen. M.s realistische, mit dickem Kreidestrich gezeichnete Plakate waren untypisch für die damaligen Entwicklungen der Plakatkunst, die mehr auf sachliche oder dekorative Darstellung abzielten. So steht sein illustrationsnahes Plakatschaffen, vornehmlich mit dynamischen Sujets, eher der französischen Plakatkunst der Jahrhundertwende nahe als der deutschen bzw. österreichischen seiner Zeitgenossen. Gleichzeitig kam sein Zeichenstil der outrierten Theatralik des Stummfilms entgegen. Seine Arbeiten präsentierte er etwa auf der Kriegsgraphik- und Reproduktionen-Ausstellung (Wien 1918), der Plakatkunstausstellung Filmreklame (Berlin 1924) und im Landesgewerbemuseum Stuttgart (1927). Seine Werke befinden sich in der Albertina, der Österreichischen Nationalbibliothek, der Wienbibliothek im Rathaus, im Museum für angewandte Kunst (alle Wien), im Deutschen Historischen Museum, in der Kunstbibliothek, der Deutschen Kinemathek (alle Berlin), im Haus der Geschichte, Bonn, im Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, in der Bibliothèque de Genève, im Museum für Gestaltung, Zürich, im Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam, und in der Library of Congress, Washington, D.C.

Weitere W.: Der Kampf im Alpenrot, 1917; Madame Dubarry, 1919; Die Pest in Florenz, 1919; Hände weg vom Ruhrgebiet!, 1923; Die Nibelungen, 1924; Säubert das Reich! Wählt Deutsche Demokraten! 1928; Die weisse Hölle vom Piz Palü, 1929; Nur Hindenburg!, 1932; Mercedes Benz. Coppa Ciano, 1938; Achtung Spione, 1939; Wir brechen Englands Tyrannei, 1941; Deine Arbeit sichert den Sieg!, 1944.
L.: WZ, 13. 7. 2014; AKL; Wer ist’s?, 1935; Vollmer; Homunculus 2, 1946, S. 147; Das Wiener Plakat, Wien-München 1970 (Kat.); B. Denscher, Tagebuch der Straße, 2. Aufl. 1981, S. 119, 126; ders., Kunst & Kommerz, 1985, S. 77, 83; ders., Österreichische Plakatkunst 1898–1938, 1992, S. 178f., 182f., 199f.; O. Weber, Der Pressezeichner T. M. …, 1993; ders., in: N. Jacques, Dr. Mabuse, der Spieler, 1996, S. 351ff.; B. Stach, in: Plakat-Journal 3, 1996, H. 4, S. 3ff.; A. Kühnel, Intermezzo Berlin, Berlin 1998, S. 14, 65f. (Kat.); Das Ufa-Plakat, ed. P. Mänz – Ch. Maryška, Berlin 1998 (Kat.); Verführungen. Plakate aus Österreich und Deutschland von 1914 bis 1945, Berlin – Hamburg – Wien 1998, S. 36, 50, 66, 68, 70, 76, 82, 146, 148, 152 (Kat.); Ch. Maryška, in: Elektrische Schatten. Beiträge zur Österreichischen Stummfilmgeschichte, ed. F. Bono, 1999, S. 169ff.; J. Kamps, Studien zur Geschichte des deutschen Filmplakats von den Anfängen bis 1945, phil. Diss. Mainz, 2004, bes. S. 336ff., 847ff.; H. Niemann, Sternenmaler. Mercedes-Benz-Werbung aus einem Jahrhundert, 2008, S. 127ff.
(Ch. Maryška)   
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2015  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 27, 1974), S. 137
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