Menger (von Wolfensgrün), Anton (1841-1906), Jurist

Menger (von Wolfensgrün) Anton, Jurist. * Maniów (Galizien), 12. 9. 1841; † Rom, 6. 2. 1906. Sohn eines Advokaten, Bruder der beiden Folgenden; stud. an den Univ. Krakau und Wien Jus (1865 Dr. jur.), daneben auch Phil., Geschichte und Mathematik. Wirkte zunächst als erfolgreicher Anwalt in Wien. 1872 Priv.Doz. für österr. zivilgerichtliches Verfahren, 1874 ao., 1877 o. Prof. des österr. Zivilprozeßrechtes an der Univ. Wien. Senator der rechts- und staatswiss. Fak., 1880/81, 1887/88 Dekan, 1895/96 Rektor. 1897 Hofrat. 1899 i. R. Auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts trat M. nach seiner Ernennung zum o. Prof. so gut wie nicht mehr hervor, sondern wurde durch seine sozialpolit. Schriften bekannt. In „Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag in geschichtlicher Darstellung“ fordert er, der Sozialismus müsse jurist. bearbeitet werden, und bezeichnete als letzten Zweck des Sozialismus die Aufstellung von ökonom. Grundrechten (Recht auf den vollen Arbeitsertrag, Recht auf Existenz, Recht auf Arbeit). In weiteren sozialpolit. Werken legte M. seine grundsätzlichen Auffassungen über Staat, Recht, Rechtswiss. und Politik dar. Ausgehend von der Überzeugung, daß Staat und Recht ausschließlich ein Produkt der Macht seien, entwarf er ein vollständiges Bild des „volkstümlichen Arbeiterstaates“ der Zukunft, der vor allem den besitzlosen Volksklassen dienen sollte. Den Weg zu jener „sozialen Rechtswissenschaft“ bzw. „legislativ-politischen Jurisprudenz“ zu weisen, die ihm vorschwebten, gelang M. nicht. Seine Ausführungen dazu waren ebenso widersprüchlich wie die Pläne zum „volkstümlichen Arbeiterstaat“, der wegen seiner stark totalitären Züge von M.s Kritikern fast einhellig abgelehnt wurde. Wegen seiner Gegnerschaft zum Marxismus wurde M. am schärfsten von den Marxisten kritisiert. Obwohl M., wie vor allem aus seiner „Volkspolitik“ hervorgeht, mit seinen Schriften polit. wirken wollte und sich klar zum Sozialismus bekannte, war er nie Mitgl. einer Partei und engagierte sich im polit. Leben nicht. M. hinterließ zum Sozialismus eine Bibl. von ca. 16.000 Bde., welche während des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland gebracht wurde, wo sie verschollen ist.

W.: Beitrr. zur Lehre von der Exekution, in: Archiv für die civilist. Praxis, Bd. 55, 1872; Die Zuverlässigkeit neuen thatsächlichen Vorbringens in den höheren Instanzen. Eine civilprozessual. Abh., 1873; System des Österr. Civilprozeßrechts in rechtsvergleichender Darstellung, Bd. 1, 1876; Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag in geschichtlicher Darstellung, 1886, 4. Aufl., 1910; Das bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1890, 4. Aufl. 1908; Neue Rechnungsmethoden der höheren Mathematik, 1891; Neue Integrationsmethoden auf Grund der Potenzial-, Logarithmal- und Numeralrechnung, 1892; Entwurf einer neuen Integralrechnung auf Grund der Potenzial, Logarithmal- und Numeralrechnung, 2 He., 1892–93; Über die sozialen Aufgaben der Rechtswiss., 1895, 2. Aufl. 1905; Neue Staatslehre, 1903, 3. Aufl. 1906; Neue Sittenlehre, 1905; Volkspolitik, 1906; etc.
L.: Süddt. Monatshe., Jg. 3, 1906, S. 285 ff.; Z. für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, Bd. 18, 1909, S. 29 ff. (mit Bibliographie); Revue d’histoire des doctrines économiques et sociales, Jg. 2, 1909, S. 129 ff.; G. Schöpfer, A. M.s Staatslehre, jurid. Diss. Graz, 1971; Handwörterbuch der Sozialwiss., hrsg. von E. v. Beckerath, Bd. 7, 1961; Handwörterbuch der Staatswiss., hrsg. von L. Elster, A. Weber und F. Wieser, Bd. 6, 4. Aufl. 1925; International Enc. of the Social Sciences, hrsg. von E. R. A. Seligman, Bd. 10, 1968; Kosch, Das kath. Deutschland; Biograph. Jb., 1908.
(H. Hörner)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 6 (Lfg. 28, 1974), S. 220f.
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