Nostitz-Rieneck, Erwein Felix Maria Gf. von (1863-1931), Politiker und Industrieller

Nostitz-Rieneck Erwein Felix Maria Graf von, Politiker und Industrieller. * Měschitz b. Tabor (Měšice, Böhmen), 20. 5. 1863; † Wien, 3. 11. 1931. Aus der zweiten Linie der Familie N.-R., Vetter des Politikers Karl E. Gf. v. N.-R. (s. d.) und des Geschichtsphilosophen und Pädagogen P. Robert Gf. v. N.-R. (s. d.); ab 1887 k. u. k. Kämmerer, ab 1888 erbliches Mitgl. des österr. Herrenhauses, ab 1907 Geh. Rat. N.-R. gehörte in den letzten 15 Jahren der Monarchie, gem. mit Baernreither (s. d.) und M. E. Fürst Fürstenberg (1863–1941) zu den führenden Exponenten des liberal und zentralist. eingestellten verfassungstreuen Großgrundbesitzes. 1904–17 war er als Mitgl. der Delegationen – meist auch Obmann des Ausschusses für Bosnien – führend an den österr.-ung. Verhh. beteiligt. 1902–14 gehörte er dem böhm. Landtag an und partizipierte maßgeblich an den dt.-tschech. Ausgleichsverhh. Er zählte zu den versöhnlichen und vermittelnden Elementen; er überbrachte Min. Präs. Stürghk allerdings auch die Bedenken des Thronfolgers über diese Gespräche. In Böhmen war er auch Obmann des Landtagsklubs und Vizeobmann seiner Partei, daneben Mitgl. des dt. Volksrates. 1909 griff er Aehrenthal (s. d.) wegen dessen Kriegspolitik scharf an und hätte mehrmals vor dem Ersten Weltkrieg Min. werden sollen. 1916 war er an der Reaktivierung des Parlaments beteiligt; er trat allerdings auch in jener Zeit, ähnlich wie Innenmin. Handel (s. d.), für ein Verfassungs-Oktroy ein. Auch unter K. Karl (s. d.) spielte die Gruppe N.-R. – Baernreither – Fürstenberg eine polit. wichtige Rolle, 1917 war er ao. Botschafter in der Schweiz zur Notifizierung der Thronbesteigung K. Karls. Während des Ersten Weltkrieges war er Präs. des Roten Kreuzes in Böhmen und Leiter der gesamten freiwilligen Krankenpflege. Der polit. wie wirtschaftlich und kulturell gleichermaßen Interessierte wirkte nach dem Ersten Weltkrieg als Vorsitzender des Verbandes des dt. Großgrundbesitzes in der Tschechoslowakei. Unter seiner Leitung nahmen die Eisenwerke Rothau im Erzgebirge (Böhmen), bei denen er später als Vorsitzender des Verwaltungsrates tätig war, und die Eisenwerke in Krieglach (Stmk.) einen großen Aufschwung; er war auch Kurator der Böhm. Sparkasse. N.-R. betätigte sich schon frühzeitig auf kulturellem Gebiet (die traditionelle Kunstliebe der Familie erreichte in ihm einen Kulminationspunkt), war Präs. der Ges. patriot. Kunstfreunde in Böhmen, Vizepräs. der Modernen Galerie in Böhmen und Mitgl. der Ges. für neuere Geschichte Österr., schließlich Ausschußmitgl. des dt. Prager Musealver.

L.: N. Fr. Pr. vom 18. 8. 1905, 4. 10. 1911 und 5. 11. 1931: Bohemia vom 5. 11. 1931; G. Kolmer, Das Herrenhaus des österr. Reichsrates, 1907; Gotha, Grafen, 1967; Wer ist’s? 1905–14; Großind. Österr., Bd. 2, S. 249 ff.; J. Redlich, Schicksalsjahre Österr. 1908–19. Das polit. Tagebuch J. Redlichs, 2 Bde., bearb. von F. Fellner, in: Veröff. der Komm. für neuere Geschichte Österr., Bd. 39–40, 1953–54, s. Reg.; Mitt. A. Nostitz-Rieneck, Geyeregg b. Eisenerz (Stmk.).
(H. Slapnicka)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 7 (Lfg. 32, 1976), S. 155f.
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