Olbrich, Josef Maria (1867-1908), Architekt und Designer

Olbrich Josef Maria, Architekt und Designer. * Troppau (Opava, österr. Schlesien), 22. 12. 1867; † Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen), 8. 8. 1908. Sohn eines Lebzelters; stud. 1882–86 an der Staatsgewerbeschule in Wien bei C. Sitte, arbeitete 1886–90 als Planer und Bauleiter für die Baufa. Bartel in Troppau und stud. 1890–93 Architektur an der Akad. der bildenden Künste in Wien bei Hasenauer (s. d.). Während seines Stud. erhielt O. den k. Ehrenpreis, den Hof-Spezialpreis und den Rompreis. Unmittelbar nach Studienende wurde er von O. Wagner als Zeichner engagiert, arbeitete bei den Stadtbahnbauten mit und entwickelte sich bald zur eigentlichen künstler. Kraft in Wagners Atelier, in dem er bis 1899 blieb. 1893/94 und 1895 bereiste er Italien, Nordafrika, Frankreich, England und Deutschland. Er betätigte sich anfangs auch als Zeichner für die Z. „Der Architekt“ und errang Erfolge bei zahlreichen Wettbewerben, von denen freilich nichts realisiert wurde. 1894 wurde er Mitgl. des Künstlerhauses in Wien und bald darauf Initiator des Siebenerklubs, aus dem 1897 die Vereinigung bildender Künstler Österr. (Secession) hervorging, zu deren Gründungsmitgl. er gehörte. Schon damals versuchte O., eine künstler. Wohn- und Werkgemeinschaft in Hietzing zu verwirklichen. 1899 berief ihn Großherzog Ernst Ludwig v. Hessen, dessen Freundschaft er erwarb, als Gründungsmitgl. der Künstlerkolonie nach Darmstadt. Er wurde Hofbaurat, erhielt den Titel Prof. und entwarf als einziger ausgebildeter Architekt der Künstlerkolonie fast alle Bauten. Die Ausst. von 1901, z. Tl. auch die von 1904 und 1908, war in Planung und Durchführung O.s Werk. 1902 reiste er nach Moskau. 1903 war O. Mitbegründer des Bundes Dt. Architekten (BDA) und Mitgl. des geschäftsführenden Ausschusses. Die erste umfassende Ausst. seines Werkes fand 1903 in Darmstadt statt. 1904 bewarb er sich erfolglos um eine Professur an der Akad. der bildenden Künste in Wien. 1905 reiste er nach London. 1907 verlegte er sein Atelier tw. nach Düsseldorf und wurde Gründungsmitgl. des Dt. Werkbundes. O. war ein hervorragender Zeichner mit nahezu unerschöpflicher Phantasie. Während seiner Wr. Zeit pflegte er einen üppigen, zunächst späthistorist., später z. Tl. stark symbolist. Dekorationsstil, mit dem er auch die Bauten Wagners prägte. Beim Haus der Secession und deutlicher beim Haus Stöhr in St. Pölten vollzieht sich in seinem Werk ein grundsätzlicher Wandel. Bei starker Beruhigung der Gesamterscheinung weicht die spieler. dekorative einer streng tekton. und volumetr. Bauauffassung, die für seine Darmstädter Bauten charakterist. wird. Das Ornament verliert seine bisher beherrschende Stellung und dient nur noch zur Artikulation des Baukörpers, anstelle der strengen Symmetrie treten nun frei ausgewogene Baukörperkompositionen. Am Ende seines Schaffens kündigen sich weitere Beruhigung und ein stark klassizist. Zug an. Die Symmetrie gewinnt ihre frühere Bedeutung zurück, das Ornament wird weiter reduziert. Anstelle stark farbiger oder graph. Flächendekorationen treten kräftige Materialstrukturen, Relief und Skulptur. O.s Schaffen umfaßte außer der Architektur fast alle Bereiche künstler. Gestaltens, die er im Sinne des Gesamtkunstwerkes zu verbinden trachtete. Hervorragendes leistete er auch auf dem Gebiet der Ausst.-Gestaltung und in der Gartengestaltung, in die er wieder architekton. Prinzipien einführte. Er wirkte als großer Anreger unter den Zeitgenossen und wurde vielfach geehrt und ausgezeichnet. Ehrenmitgl. der Akad. der bildenden Künste in Wien, der Accad. di belle Arti in Mailand, des American Inst. of Architects in Washington.

W.: Secession, 1897/98, Wien; Haus Friedmann, 1898/99, Hinterbrühl (NÖ); Haus Stöhr, 1899, St. Pölten (NÖ); Arbeitshaus der Künstlerkolonie (Ernst Ludwig-Haus), 1899/1900, erweitert 1904, Häuser Christiansen, Glückert 1 und 2, Habich, Olbrich, Keller und Deiters, alle 1900/01, Dreihäusergruppe, 1902/03, Ausst. Gebäude und Hochzeitsturm, 1905/06, Gestaltung Luisenplatz, 1907, Arbeitshaus Opel, Oberhess. Haus, beide 1908, alle Darmstadt; Haus Hochstrasser, 1901/02, Kronberg i. Taunus (Hessen); Prinzessinnenhäuschen, 1902, Schloß Wolfsgarten, Langen (Hessen); Haus E. Olbrich, 1904, Troppau; Haus Silber, 1906/07, Bad Soden b. Saalmünster (Hessen); Haus Clarenbach, 1907/08, Wittlaer (Nordrhein-Westfalen); Häuser Kruska 1 und 2, 1907–08, Haus Banzhof, 1908, alle Köln; Warenhaus L. Tietz, 1906–08, Düsseldorf; etc. Projekte: Kurhotel, 1902, Bad Königswart (Böhmen); Hauptbahnhof, 1903, Basel; Sezession, 1904, Berlin; Dt. Kunstausst., 1904, Köln; Eleonorenhotel, 1904/05, Hallenschwimmbad, 1905, Bahnhof, 1907, alle Darmstadt; Brunnenkolonnade, 1906, Karlsbad (Böhmen); Wassertürme, 1906, Hamburg. Ausst. – Gestaltungen: 1. und 2. Secessionsausst., 1898, 4. Secessionsausst., 1899, alle Wien; Weltausst., 1900 (dt. und österr. Räume), Paris; Ausst. der Künstlerkolonie, 1901, 1905, 1908, Gartenbauausst., 1905 (Farbengärten), alle Darmstadt; Internationale Ausst., 1902, Turin; Weltausst., 1904 (Sommersitz eines Kunstfreundes), St. Louis (Missouri, USA); 3. Dt. Kunstausst., 1906 (Der Frauen-Rosenhof), Köln; 3. Dt. Kunst- und Ind.-Ausst., 1906, Dresden; Jubiläumsschau, 1906, Mannheim. Publ.: Ideen, 1899, 2. Aufl. 1904; Haus Olbrich, Darmstadt, 1901 (Katalog); Die Ausst. der Künstlerkolonie, Darmstadt, 1901 (Hauptkatalog); Architektur, 1901–14; Zehn Entwürfe für Zimmermaler, 1902; Neue Gärten, 1905; Der Frauen-Rosenhof, 1907; Das Haus Feinhals in Cöln-Marienberg, 1911; etc.
L.: Schriften der Hess. Mus., n. 7, 1967; Bauforum 1, 2, 1968; Sinteza 18–19, 1970; Architektur und Wohnen, das Journal für internationalen Lebensstil, 1971, H. 2; J. A. Lux, J. M. O.: eine Monographie, 1919; G. Veronesi, J. M. O., 1948; H. G. Sperlich, Versuch über J. M. O., 1965; J. M. O. 1867–1908. Das Werk des Architekten. Ausst. anläßlich der 100. Wiederkehr seines Geburtstages, Darmstadt, Wien, Berlin, 1967; J. M. O. zum 100. Geburtstag, 1967; C. M. Nebehay, J. M. O. 1867–1908. Entwürfe, Zeichnungen, Aquarelle. Ausst. Katalog Wien, 1970; K. H. Schreyl, J. M. O. Die Zeichnungen in der Kunstbibl. Berlin. Krit. Katalog, 1972; R. J. Clark, J. M. O., 1867–1908, phil. Diss. Princeton (New Jersey, USA), o. J.; Bénézit; W. Müller–Wulkow, Lex. der Baukunst, 1929; Thieme–Becker; Biograph. Jb., 1910, 1914; J. Roether–H. G. Sperlich, Mathildenhöhe Darmstadt, 1958, 2. Aufl. 1966.
(R. Schachel)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 7 (Lfg. 33, 1977), S. 224ff.
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