Oppolzer Theodor von, Astronom und Geodät. * Prag, 26. 10. 1841; † Wien, 26. 12. 1886. Sohn des Vorigen, Vater des Astronomen Egon v. O. (s. d.); stud. nach Absolv. des Piaristengymn. in Wien an der Univ. Med. und Astronomie. 1865 Dr. med. Bereits im März 1866 erlangte er aufgrund von rund 70 einschlägigen Veröff. die Lehrbefugnis als Priv.Doz. für theoret. Astronomie an der philosoph. Fak. der Univ. Wien. 1870 ao. Prof., 1875 o. Prof. der theoret. Astronomie und höheren Geodäsie. Einen Ruf als Dir. an die Sternwarte Gotha lehnte er ab. 1873 Reg. Rat und Leiter des österr. Gradmessungsbüros, 1885 Hofrat; 1882 ehrenamtlicher Sekretär, 1886 Vizepräs. der Europ. Gradmessungskomm. In jüngeren Jahren war O. ein eifriger astronom. Beobachter an der mit Unterstützung seines Vaters vorzüglich ausgerüsteten Privatsternwarte in Wien-Josefstadt, ferner Teilnehmer an der österr. Expedition zur Sonnenfinsternis 1868 nach Aden (Arabien) und zum Venusdurchgang 1874 nach Jassy (Rumänien) sowie an astronom.-geodät. Arbeiten, für die er auch verschiedene neue Apparate entwickelte. Vor allem aber war O. unbestritten der hervorragendste theoret. Astronom Österr. seit Kepler, gleich ausgezeichnet durch mathemat. Scharfsinn wie durch Gewandtheit im numer. Rechnen. Er berechnete nicht nur zahlreiche Bahnen von Kometen und Planetoiden, sondern bereicherte dieses Forschungsgebiet auch durch wesentliche method. Verbesserungen und durch ein zweibändiges Lehrbuch, das lange Zeit mit Recht als Standardwerk galt. O.s zweites Hauptarbeitsgebiet betraf die Theorie der Bewegungsverhältnisse im System Sonne–Erde–Mond. Nachdem es ihm gelungen war, Syzygientafeln zu entwickeln, die trotz höherer Genauigkeit den Rechenvorgang gegenüber denen von P. A. Hansen erheblich vereinfachten, konnte er in seinen letzten Lebensjahren den „Canon der Finsternisse“ eben noch zu Ende führen. Dieses Werk enthält alle notwendigen Hilfsgrößen, um verhältnismäßig leicht die näheren Umstände von 8000 Sonnen- und 5200 Mondesfinsternissen zwischen 1207 v. Chr. und 2163 n. Chr. zu berechnen, sowie Karten der Zentralkurven der Sonnenfinsternisse. 75 Jahre nach O.s Tod wurde der „Canon“ unter Beigabe einer engl. Übers. des Einleitungstextes in Amerika nachgedruckt. Wie schon hier, so bes. auch in seinem dritten großen Tätigkeitsfeld, der Höheren Geodäsie, bewährte sich O. als umsichtiger Wissenschaftsorganisator, dessen vorbildlicher Fleiß seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen anspornte. O. wurde vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. 1869 korr., 1882 w. Mitgl. der Akad. der Wiss. in Wien, 1871 Dr. h. c. der Univ. Leiden, 1874 Mitgl. der Royal Astronomical Society in London, 1878 der Académie des Sciences in Paris und der kgl. Bayr. Akad. der Wiss. in München, 1885 der k. Leopoldin. Akad. der Naturforscher in Halle.