Peez, Alexander Ernst Frh. von (1824-1912), Politiker, Industrieller, Nationalökonom und Kulturhistoriker

Peez Alexander Ernst Frh. von, Politiker, Industrieller, Nationalökonom und Kulturhistoriker. * Wiesbaden (Hessen), 19. 1. 1824; † Weidling (NÖ), 12. 1. 1912. Sohn des Arztes Ernst A. v. P., des Begründers des Kurortes Wiesbaden; stud. Jus an den Univ. Heidelberg, Göttingen, München und – nach einer Reise durch England – in Prag, wo er Schüler Mischlers war. Mit diesem unternahm P. Reisen durch böhm. Ind. Reviere und stellte für einzelne Fabrikationszweige Rentabilitätsberechnungen an, um Produktionskosten an Maschinen, Kohle und Arbeit festzustellen. P. ging 1857 nach Frankfurt a. M., dann endgültig nach Österr., wo er 1866 die Staatsbürgerschaft erwarb. Zunächst übernahm er in Reichenberg die Red. der „Reichenberger Zeitung“ und arbeitete mit dem Großindustriellen J. Frh. v. Liebig (s. d.), dem Präs. der Handelskammer, eng zusammen. 1864 wurde er Gen.Sekretär des Ver. der Industriellen in Wien und war bei den Weltausst. Paris (1867) und Wien (1873) mit der amtlichen Berichterstattung beauftragt. 1874 beteiligte er sich an der Gründung des Ver. der Montan-Eisen- und Maschinen-Ind. in Österr. Ab 1875 fungierte er als Sekretär des Industriellen Clubs, 1891–99 und 1904/05 als dessen Präs. 1876–85 vertrat er die Reichenberger Handelskammer im Abg.Haus. P. errichtete auf seinem Familiengut in Weißenbach a. d. Enns (Stmk.) 1886 eine Zellulosefabrik. 1890–95 wurde er von der Leobener Handelskammer in den Reichsrat entsandt (Vereinigte Dt. Linke). 1902 Herrenhausmitgl. (Verfassungspartei). P. war Mitgl. des Verwaltungsrates zahlreicher AG, Vizepräs. der Ges. österr. Volkswirte, Kurator des k. k. österr. Handelsmus., Mitgl. des Staatseisenbahnrates und des Beirates der Postsparkasse-Angelegenheiten, korr. Mitgl. der Statist. Zentralkomm. und Begründer des Wr. Volksbildungsver. Er machte sich verdient um die Begründung der Postsparkasse und der Zentralbank der dt. Sparkassen, um den Ausbau des böhm. Eisenbahnnetzes sowie um die Sanierung der Ersten Donaudampfschiffahrtsges. und regte 1903 den Bau des Hauses der Ind. am Schwarzenbergpl. in Wien I. an. Nach dem Schiffbruch der liberalen Wirtschaftspolitik im Gefolge des Börsenkrachs von 1873 war P. bedeutendster Exponent für eine gemäßigte Schutzzollpolitik als Vorbedingung für die Festigung der heim. Ind. und die Abschirmung der Landwirtschaft vor der übersee. Konkurrenz. Dabei betonte er auch die Vorteile engerer Kontakte der Monarchie zum Dt. Reich, propagierte ein österr.-dt. Zollbündnis und trat auch für verstärkte Beziehungen zum Orient und zur Levante ein. Er wandte sich dann immer mehr der Idee des Vielvölkerstaats der Donaumonarchie zu. Dabei sah er in den Dt.-Österreichern das „Zentralvolk“, das, seiner Meinung nach, die Bildungselemente und die Technik des Westens mit der Produktenfülle des Ostens zu kombinieren verstünde und damit für alle Völker des Reiches den Aufstieg zu einer Ind.Macht in Gang setzen könne. P. wurde vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. 1899 Frh., 1910 Dr. h. c. der Univ. Berlin.

W.: Österr. und der Orient, 1875; Die amerikan. Konkurrenz, 1881, 2. Aufl. 1894; Der wirthschaftliche Werth der Binnen-Wasserstraßen, 1880; Über die Frage eines singulären Erbrechtes für den Stand der kleinen Grundbesitzer, 1883; Die Ernährungsweise der österr. Arbeiter, 1886; Zur Geschichte der Cellulose-Fabrication 1848–88, 1888; Zur neuesten Handelspolitik, 1895; Erlebt-Erwandert, 3 Bde., 1899–1902; Die Aufgaben der Dt. in Österr., 1905; Die Bedeutung von F. List für die Gegenwart, 1906; Die gelbe Gefahr in der Geschichte Europas, 1908; England und der Kontinent, 2 Tle., 1909–10, Tl. 1, 9. Aufl. 1915, Tl. 2, 2. Aufl. 1917; Englands Vorherrschaft, gem. mit P. Dehn, Bd. 1, 1912; Europa aus der Vogelschau, 1916; etc.
L.: Allg. Ztg. vom 25. 1. 1899 (Beilage); N. Fr. Pr. vom 16. 12. 1902 und 12. 1. 1912; RP vom 20. 1. 1929; Mitt. der Ges. für Salzburger Landeskde. 52, 1912, S. 209 f.; Carinthia I, Jg. 102, 1912, S. 158; O. Knauer, Österr. Männer des öff. Lebens von 1848 bis heute, 1960; G. Kolmer, Das Herrenhaus des österr. Reichsrats, 1907; Parlamentar. Jb., Jg. 4, 1891; W. Kosch, Biograph. Staatshdb., Bd. 2, 1963; Eisenberg, 1893, Bd. 1; Kosch, Das kath. Deutschland; Biograph. Jb., 1915.
(F. Baltzarek)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 7 (Lfg. 35, 1978), S. 389f.
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