Petschek, Georg (1872-1947), Jurist

Petschek Georg, Jurist. * Kolin (Kolín, Böhmen), 20. 7. 1872; † Cambridge, Massa. (USA), 5. 9. 1947. Cousin der beiden Folgenden; stud. 1890–94 an der Dt. Univ. Prag Jus, 1896 Dr. jur. Absolv. 1896–1900 die Gerichtspraxis, unterbrochen durch Stud. in Halle (1897/98) und bei F. Stein in Leipzig (1898/99). 1902 Habil. für österr. zivilgerichtliches Verfahren an der Dt. Univ. Prag; 1904 Tit. ao. Prof., 1907 ao. Prof. und 1910 o. Prof. des österr. zivilgerichtlichen Verfahrens an der Univ. Czernowitz (Černivci), 1910/11 Dekan, 1919 enthoben. 1920 neuerliche Habil. für dasselbe Fach an der Univ. Wien und Priv. Doz. (o. Prof.) für österr. Zivilprozeßrecht und Verfahren außer Streitsachen. Ab 1938 lebte er in den USA, wo er als research associate an der Harvard Law School wirkte. P. begann seine fachpublizist. Tätigkeit mit der Untersuchung und Darstellung diffiziler Einzelprobleme des zivilgerichtlichen Verfahrens und versuchte, anhand minutiöser Detailuntersuchungen und bes. scharfer Begriffsbildung ein einheitliches Begriffsinstrumentarium für die Zivilprozeßwiss. zu gewinnen und darüber hinaus ein einheitliches Gesamtmodell des zivilgerichtlichen Verfahrens zu entwerfen. Primär Dogmatiker, bediente er sich subtilster Differenzierung und einer oft nicht leicht zugänglichen Sprache, war aber trotzdem stets bemüht, seine Erkenntnisse der Rechtspraxis zugänglich zu machen. Dem kam seine hervorragende Fähigkeit zu krit. Rezension bes. entgegen (Rechtsfälle aus dem Zivilprozeßrecht und – als Frucht und Smlg. achtjähriger Entscheidungsbesprechungstätigkeit – zivilprozeßrechtliche Streitfragen). Bis 1938 übte er durch viele Abhh. sowie durch krit. Auswahl und scharfsinnige Glossierung höchstgerichtlicher Entscheidungen maßgeblichen Einfluß auf die Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes aus. Im Grenzgebiet zum Verfassungsrecht zeigte er durch seine Lehre vom „Bindungskonflikt“ neue Wege und war auch maßgeblich an der prozessualen Rechtsentwicklung in der Tschechoslowakei beteiligt. P.s zusammenfassende Prozeßschau wurde erst in seinen nachgelassenen systemat. Darstellungen über den österr. Zivilprozeß, das österr. Zwangsvollstreckungsrecht und das österr. Insolvenzrecht in vollem Ausmaß ersichtlich. Dort erweist er sich als verspäteter, aber umso konsequenterer Vertreter einer österr. Modifikation der Lehre vom Rechtsschutzanspruch.

W.: Die Zwangsvollstreckung in Forderungen nach österr. Recht, 1902; Zivilprozeßrechtliche Stud. zum Entwurfe eines Gesetzes betreffend den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb, 1907; Zuständigkeitsfragen und andere Beitrr. zum zweiten Regierungsentwurfe eines Gerichtsentlastungsgesetzes, 1911; Rechtsfälle aus dem Zivilprozeßrecht, 1928; Ber. über die gem. Zivilprozeßordnung für das Dt. Reich und Österr., in: Judicium, 1928/29; Indirekter Kompetenzkonflikt und Bindungskonflikt, in: Zentralbl. für die jurist. Praxis, 1929; Österr. Zivilprozeßrecht, in: Handwörterbuch der Rechtswiss., Erg.Bd., hrsg. von F. Stier-Somlo und A. Elster, 1931; Zivilprozeßrechtliche Streitfragen, 1933; Der Nicht-Richter, in: Zentralbl. für die jurist. Praxis, 1933; Der österr. Zivilprozeß, hrsg. von F. Stagel, 1963; Das österr. Zwangsvollstreckungsrecht, hrsg. von E. Hämmerle und O. Ludwig, 1968; Das österr. Insolvenzrecht, bearb. von O. Reimer und K. Schiemer, 1973; etc. Hrsg.: Zentralbl. für die Jurist. Praxis, 1925 ff.
L.: H. Schima, Nachruf für G. P., in: Jurist. Bll. 70, 1948, S. 314 ff.; F. Novak, Einige Probleme des Zivilprozeßrechts, ebenda, 86, 1964, S. 1 ff.; Jaksch; Jb. der Wr. Ges., 1929; Kürschner, Gel. Kal., 1925–35; Masaryk; Wininger; UA Wien.
(H. W. Fasching)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 36, 1979), S. 8f.
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