Popp, Adelheid; geb. Dwořak (1869-1939), Politikerin

Popp Adelheid, geb. Dwořak, Politikerin. * Wien-Inzersdorf, 11. 2. 1869; † Wien, 7. 3. 1939. Tochter eines Webers; ab 1894 Gattin des Politikers Julius P. (s. d.), Schwägerin des Theaterdir. und Schauspielers Wilhelm P. (s. d.); besuchte 1876–79 die Volksschule, arbeitete jedoch bereits ab ihrem achten Lebensjahr, ab 1883 in einer Fabrik für Bronzeerzeugnisse, dann in einer Korkfabrik. P. begann schon damals mit aktiver Propaganda für die sozialdemokrat. Ideen. 1889 wurde sie Mitgl. des Wr. Arbeiterinnen-Bildungsver. Führende Sozialisten begannen sich für sie zu interessieren, u. a. Reumann, Engels, Bebel und V. Adler (s. d.), dessen Frau ihr Sprach- und Rechtschreibunterricht gab und großen Einfluß auf sie ausübte. Ab 1890 sprach P. auf vielen Versmlg. in allen Tle. der Monarchie und genoß den Ruf einer energ., begabten und sehr beliebten Agitatorin. 1893–1934 war P., die auch schriftsteller. tätig war, verantwortlicher Red. der 1892 gegründeten „Arbeiterinnen-Zeitung“. 1893 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des Lese- und Diskutierklubs Libertas, zum Vorstand des Bildungsver. von Wien-Meidling sowie etwas später des Arbeiter-Bildungsver. von Wien-Rudolfsheim und organisierte in Wien mit Glas-Pohl und Ryba-Seidl die erste sozialdemokrat. Frauenversmlg. für die Erringung der polit. Rechte der Frauen. 1898 wurde P. Mitgl. des sozialdemokrat. Frauenreichskomitees, 1901 war sie im Vorstand des Ver. der Heimarbeiterinnen von Wien-Ottakring, 1918–23 Mitgl. des Wr. Gemeinderates, 1919–34 Abg. zum Nationalrat, wo sie bes. auf dem Gebiet des Familienrechtes und des Strafgesetzes aktiv war. Sie erreichte die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Dienstboten (Hausgehilfinnengesetz, Abschaffung der Dienstbotenordnung von 1808) und versuchte durch Gesetzvorlage die §§ 144 bis 148 (Abtreibungsgesetze) des Strafgesetzes zu mildern. Nach dem Ersten Weltkrieg forderte P. die Wiederbelebung der sozialist. Fraueninternationale. 1926 wurde sie Vertreterin der Frauen in der Exekutive der sozialist. Arbeiterinternationale. 1933 schied P. aus gesundheitlichen Gründen aus dem Sozialdemokrat. Parteivorstand aus, dem sie 30 Jahre lang angehört hatte. Ab 1934 lebte sie kränkelnd und zurückgezogen in Wien.

W.: Die Arbeiterin im Kampf um’s Dasein, 1895, 2. Aufl. 1911; Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin von ihr selbst erzählt (= Lebensschicksale 1), 1909 (zahlreiche Übers.), Neuaufl. 1964; Schutz der Mutter und dem Kinde (= Lichtstrahlen 21), 1910; Mädchenbuch (= Die junge Welt 6), 1911, Neuaufl. 1924; Haussklavinnen, 1912; Erinnerungen, 1915; Frau, Arbeiterin, Sozialdemokratie, 1916; Der Weg zur Höhe. Die sozialdemokrat. Frauenbewegung Österr., 1929, 2. Aufl. 1930; Bll. der Erinnerung. Dem Gedenken meines Mannes, Julius P., bearb. von E. K. Herlitzka, in: Archiv. Mitt.Bl. des Ver. für Geschichte der Arbeiterbewegung 4, 1964; etc. Hrsg.: Gedenkbuch. 20 Jahre österr. Arbeiterinnenbewegung, 1912; etc.
L.: H. Schroth, Bibliographie zur Geschichte der österr. Arbeiterbewegung: A. P., in: Archiv. Mitt.Bl. des Ver. für Geschichte der Arbeiterbewegung 3, 1963. S. 36 ff.; O. Knauer, Der Wr. Gemeinderat 1861–1962, in: Hdb. der Stadt Wien 77, 1962, S. 236; Jb. der Wr. Ges., 1929; Knauer; F. Freund, Der Österr. Nationalrat 1920–22, 1920; L. Brügel, Geschichte der österr. Sozialdemokratie 4–5, 1923–25, s. Reg.; Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauenarbeit in Österr., 1930, S. 35, 70 f., 74, 82; E. Kancler, Die österr. Frauenbewegung und ihre Presse, phil. Diss. Wien, 1948; E. Hüttl, Die Frau in der oesterr. Sozialdemokratie, phil. Diss. Wien, 1949; E. Kurz, Die Sozialistin A. P.-D., in: Frauenbilder aus Österr., 1955, S. 177 ff.; A. Motzko, Weg der Frau zu Recht und Geltung, 1959, S. 145 ff.; M. I. Wittmann, Die österr. Frauenstimmrechtsbewegung im Spiegel der Frauenztg., phil. Diss. Wien, 1959, S. 50 ff., 82; F. Patzer, Der Wr. Gemeinderat 1918–34 (= Wr. Schriften 15), 1961. s. Reg.; Werk und Widerhall, hrsg. von N. Leser, 1964, S. 297 ff.; Die Mitgl. des österr. Nationalrates 1918–68, 1968; Y. Bourdet–G. Haupt–F. Kreissler–H. Steiner, Autriche (= Dictionnaire biographique du Mouvement ouvrier international, hrsg. von J. Maitron und G. Haupt, 1), 1971; Th. L. Hamer, Beyond Feminism: The Women’s Movement in Austrian Social Democracy, 1890–1920, phil. Diss. Ohio State University, 1973, S. 64 ff.; I. Lafleur, Five Socialist Women: Traditionalist Conflicts and Socialist Visions in Austria, 1893–1934, in: Socialist Women, hrsg. von M. J. Boxer und J. H. Quataert, 1978; Große Frauen der Weltgeschichte, o. J.
(M. Martiny)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 38, 1981), S. 200f.
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