Popp, Wilhelm (1863-1925), Theaterdirektor, Schauspieler und Regisseur

Popp Wilhelm, Theaterdirektor, Schauspieler und Regisseur. * Kimpling (OÖ), 26. 6. 1863; † Wien, 22. 9. 1925. Sohn eines Bahnbeamten, Halbbruder des Politikers Julius P. (s. d.), Schwager der Politikerin Adelheid P. (s. d.); war nach dem Militärdienst (1886 Lt. d. Res.) 1885 Sparkassenbeamter in Linz, nahm jedoch Schauspielunterricht und wirkte danach als Schauspieler (später auch als Regisseur) an Bühnen in Linz, Ulm, Troppau (Opava), Olmütz (Olomouc), Innsbruck und Czernowitz (Černivci). 1896 von A. Lechner (s. d.) als Charakterschauspieler und Regisseur nach Salzburg engagiert, war P. mit diesem und A. Barsescu (s. d.) 1897 am kgl. Nationaltheater in Bukarest an den Festaufführungen einiger Werke Kgn. Elisabeths (Carmen Sylva) beteiligt. Im selben Jahr kam P. als Schauspieler (für Väter- und Charakterrollen), Regisseur und Dramaturg an das Raimundtheater nach Wien, wo er auch als Schauspiellehrer wirkte. 1907 übernahm P. die Dion. des neuerbauten dt.-sprachigen Stadttheaters in Mähr. Ostrau (Ostrava), das sich unter seiner Leitung bald zu einer der bedeutendsten dt.-sprachigen Provinzbühnen entwickelte. Auch hier war er weiterhin als Regisseur und Schauspieler tätig. 1914 wurde P. zum Dir. des Dt. Theaters in Czernowitz bestellt, blieb jedoch wegen des Krieges in Dienstverwendung in Mähr. Ostrau (1914 Oberlt.) und leitete 1917–20 wieder das dortige Stadttheater, dessen kontinuierliche künstler. Entwicklung er in Zeiten der nationalen Krisen gewährleistete. Auch das Dt. Theater in Czernowitz erlebte unter seiner Dion., 1920–22, noch einmal eine Glanzzeit. 1924/25 konnte P. die latente Theaterkrise in Mähr. Ostrau durch abermalige Übernahme der Dion. beheben und bestritt mit seinem Ensemble auch die Sommerspielzeit in Preßburg (Bratislava). Als Künstler war P. stark dem Naturalismus verhaftet. Während seine Rollengestaltung meist durch souveräne Beherrschung der schauspieler. Technik und psycholog. Einfühlungsvermögen geprägt war, lag seine Stärke als Regisseur im Herausarbeiten des Milieus und im Arrangieren effektvoller, maler. Volks- und Ensembleszenen bes. im zeitgenöss. Drama, während er – wie seine Schiller-Inszenierungen zeigen – im klass. Drama das Streben nach größtmöglicher Illusion in späteren Jahren zugunsten einer gewissen Stilisierung aufgab. Als Theaterdir. war P. äußerst ambitioniert, zeigte literar. Mut und bes. in seiner ersten Dion.Zeit Freude am Experiment. Neben dem Volksstück (er war selbst ein ausgezeichneter Anzengruber-Darsteller) förderte er bes. die zeitgenöss. Dramatik. In seiner letzten Dion.Epoche räumte er dem Expressionismus breiteren Raum ein.

Hauptrollen: Franz Moor (F. v. Schiller, Die Räuber); Philipp II. (ders., Don Carlos); Mephisto (J. W. v. Goethe, Faust); Nathan (G. E. Lessing, Nathan der Weise); Jago (W. Shakespeare, Othello); Bischof Gregor (F. Grillparzer, Weh dem, der lügt); Wurzelsepp (L. Anzengruber, Der Pfarrer von Kirchfeld); der alte Brenninger (ders., Die Kreuzelschreiber); Christoph Rott (K. Schönherr, Glaube und Heimat); der alte Grutz (ders., Erde); Dr. Stockmann (H. Ibsen, Ein Volksfeind); Galileo Galilei (H. Müller, Die Sterne); etc. – Inszenierungen: F. v. Schiller, Wilhelm Tell; ders., Die Braut von Messina; G. Hauptmann, Hanneles Himmelfahrt; H. Ibsen, Ein Volksfeind; K. Schönherr, Kindertragödie; ders., Erde; R. Hawel, Mutter Sorge; L. Anzengruber, Der Meineidbauer; ders., Das vierte Gebot; etc. – Publ.: Der große Theophil (Schwank), gem. mit E. Bach, 1902.
L.: Ostrauer Tagbl. vom 28. 9. 1907; N. Fr Pr. vom 8. 1. 1922; Dt. Ztg. Bohemia, Prager Tagbl., N. Wr. Tagbl. und Neues Wr. Journal vom 23. 9., Wr. Ztg. vom 25. 9. 1925; Eisenberg; Giebisch–Gugitz; Kosch, Theaterlex.; Kosel; Krackowizer; Nagl–Zeidler–Castle 4, S. 1411 f.; O. G. Flüggen, Biograph. Bühnen-Lex. der Dt. Theater, 1892; A. Schwarz, Das Stadttheater in Mähr. Ostrau (Festschrift), 1907; H. Pregler, Die Geschichte des dt.-sprachigen Theaters in Mähr. Ostrau von den Anfängen bis 1944, phil. Diss. Wien, 1965; G. Prossnitz, Das Salzburger Theater von 1892–1944, phil. Diss. Wien, 1965; KA Wien.
(E. Lebensaft)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 38, 1981), S. 203f.
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