Preiss, Jaroslav (1870-1946), Finanzfachmann

Preiss Jaroslav, Finanzfachmann. * Přestitz (Přeštice, Böhmen), 8. 12. 1870; † Prag, 29. 4. 1946. Stud. an der Tschech. Univ. Prag Jus (Dr. jur.); 1894–96 Obmann der Studentenvereinigung Všehrd. War zuerst Beamter der Handelskammer in Budweis (České Budějovice), dann Wirtschaftsjournalist, 1900 Wirtschaftsred. der „Národní listy“, 1904 Leiter der Pressestelle der Živnostenská Bank, der führenden Prager Bank. 1907 wurde P. Leiter der Ind.Abt. dieser Bank, 1910 stellvertretender Oberdir.; 1916 wurde er wegen seines Verhaltens bei der Kriegsanleihezeichnung unter Anklage gestellt, aber nach Niederschlagung des Verfahrens noch während des Krieges Oberdir. der Živnostenská Bank. In der Tschechoslowakei gehörte er der revolutionären Nationalversmlg. (Mandatsverzicht 10. 9. 1919) und 1919 der tschechoslowak. Delegation bei den Pariser Friedensverhh. an. P. war der Schöpfer des Wirtschaftskonzepts des neuen Staates und maßgebend an der Herauslösung der Tschechoslowakei aus dem österr. Wirtschaftsraum und an der Verselbständigung der tschechoslowak. Wirtschaft, vor allem an der Durchführung der Währungstrennung, beteiligt. Er war Mitbegründer des tschechoslowak. Bankenverbandes und des Zentralverbandes tschechoslowak. Industrieller, dem auch die dt. Industriellen angehörten. Als Leiter des größten Finanz- und Ind.Konzerns übte er einen maßgebenden Einfluß auf die tschechoslowak. Finanzpolitik der Nachkriegszeit aus. Trotz seiner Zugehörigkeit zur Nationaldemokrat. Partei war er in wirtschaftspolit. Fragen (u. a. Sanierung Österr.) der Berater Masaryks (s. d.). 1930 Präs. des Industriellenverbandes. Als Beneš nach dem Münchner Abkommen demissionierte, wurde auch P. als möglicher Nachfolger genannt. In der Zweiten Republik trat er für eine Zollunion mit Deutschland ein. 1945 wurde er in Haft genommen, da er für die Katastrophe des Staates im Herbst 1938 verantwortlich gemacht wurde. P. war Mitgl. des Kuratoriums des Böhm. Nationalmus. und der Modernen Galerie in Prag sowie Hon.Doz. an der jurid. Fak. der Univ. Prag.

W.: Z tendencí hospodářského vývoje současna (Tendenzen der Wirtschaftsentwicklung der Gegenwart), 1905; Průmysl a banky (Ind. und Banken), 1912; O vývoji a úkolech československého průmyslu (Entwicklung und Aufgaben der tschechoslowak. Ind.), 1928; Několik úvah z let (Einige Überlegungen aus den Jahren) 1905–07, 1930; etc.
L.: F. G. Campbell, The Castle, J. P. and the Živnostenská Bank, in: Bohemia. Jb. des Collegium Carolinum 15, 1974, S. 231 ff.; Masaryk; Otto 28, Erg.Bd. V/1; Slovník národohospodářský, sociální a politický 3, 1933; L. Feierabend, Prag– London, vice-versa, 2 Bde., hrsg. von H. Kuhn (= Dokumente und Kommentare zu Ost-Europa-Fragen 14–15), 1971–73, s. Reg.; Die „Burg“. Einflußreiche polit. Kräfte um Masaryk und Beneš, 2 Bde., hrsg. von K. Bosl, 1973–74, s. Reg.
(He. Slapnicka)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 38, 1981), S. 257f.
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