Princip, Gavrilo (1894-1918), Student und Revolutionär

Princip Gavrilo, Student und Revolutionär. * Gornji Obljaj (Grahovo Polje, Bosnien), 13. 7. 1894; † Theresienstadt (Terezín, Böhmen), 28. 4. 1918. Sohn eines serb. Kmeten, dessen Familie nach Auflösung der Zadruga verarmte; kam am Gymn. in Sarajevo 1911 mit der nationalrevolutionären Bewegung Mlada Bosna (Jung-Bosnien) in Kontakt, die ihrem sozialen und nationalen Protest in Propaganda, öffentlichen Demonstrationen, Schulstreiks und Attentaten Ausdruck zugeben begann. Diese Widerstandshandlungen richteten sich gegen die Überschichtung durch die österr.-ung. Administration, gegen die zunehmende Abhängigkeit vom ins Land strömenden Fremdkapital und die damit zusammenhängende, vielfach exploitativ betriebene Industrialisierung, gegen die Aufrechterhaltung halbfeudaler Besitzverhältnisse und schließlich gegen das Fehlen eines vergleichsweise fortgeschrittenen polit. Vertretungsrechtes. Beeinflußt vom Gedankengut Mazzinis und Masaryks (s. d.), aber auch der russ. Anarchisten und Narodniki, entschied sich P. für einen den serb.-kroat. Gegensatz überwindenden Jugoslawismus, in der Durchsetzungsmethode jedoch für den individuellen Terror. Aus dem Gymn. bereits 1912 entlassen, trat er in Belgrad auch mit der serb. Geheimorganisation Ujedinjenje ili smrt (Vereinigung oder Tod) – auch Crna ruka (Schwarze Hand) genannt – in Kontakt. Er verabredete im März 1914 mit anderen bosn. Revolutionären (Čabrinović, Grabež etc.) ein Attentat auf den Erzh.-Thronfolger Franz Ferdinand (s. d.), dessen Besuch in Sarajevo für den Veitstag (Vidovdan), den 28. 6., einen nationalen Gedenktag der Serben, angesagt war. Nach einem fehlgeschlagenen Bombenattentat Čabrinović’ erschoß P. gegenüber der Lateiner Brücke das Thronfolgerpaar. Vor Gericht unterstrich er die polit. Zielsetzung seiner Tat, nämlich die Zerstörung der Habsburgermonarchie, und berief sich auf die Erlaubtheit des Tyrannenmordes. Er wurde zu 20 Jahren harter Zwangsarbeit verurteilt und in das Gefängnis der Festung Theresienstadt überstellt, wo er offenbar u. a. an Knochentuberkulose erkrankte und starb. Die Ermordung Franz Ferdinands veranlaßte die österr. Regierung zu einer Kette diplomat. Aktionen, die in einem Ultimatum, schließlich in der Kriegserklärung Österr.-Ungarns an Serbien mündeten und wesentlichen Anteil an der Auslösung des Ersten Weltkrieges hatten.

L.: R. G. Plaschka, Aus den Haft-Akten der Sarajevo-Attentäter, in: Srpska Akad. Nauka i Umetnosti. Balcanica 8, 1977, S. 481 ff.; F. Würthle, Dokumente zum Sarajevoprozeß. Ein Quellenber. (= Mitt. des Österr. Staatsarchivs, Erg.Bd. 9), 1978, s. Reg.; Österr.-Ungarns Aussenpolitik von der Bosn. Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914, 8, bearb. von L. Bittner und H. Uebersberger (= Veröff. der Komm. für neuere Geschichte Österr. 26), 1930, s. Reg.; Der Sarajevo-Prozeß. Dt. Uebers. der Anklageschrift nach dem kroat. Originaltext . . . und amtliche dt. Uebers. des Urteils aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien, bearb. von E. Brandenburg (= Veröff. des Arbeitsausschusses Dt. Verbände 1), 1933, s. Reg.; V. Bogićević, Sarajevski atentat. Izvorne stenografske biljeske sa glavne rasprave protiv G. P. i drugova, održane u Sarajevu 1914 g. (= Drzavni Arhiv narodne Republike Bosne i Hercegovine u Sarajevu. Izvorna Gradja iz novije istorije Bosne i Hercegovine 1), 1954, s. Reg.; D. Ljubibratić, G. P., 1959; N. Tršić, Sarajevski atentat u svjetlu bibliografskih podataka, 1960; V. Dedijer, The Road to Sarajevo, 1967, s. Reg., dt.: Die Zeitbombe. Sarajewo 1914, 1967, s. Reg.; F. Würthle, Die Spur führt nach Belgrad, 1975, Neuaufl. (= Ein Molden-Taschenbuch 123), 1978, s. Reg.; W. S. Vucinich, Mlada Bosna and the First World War, in: The Habsburg Empire in World War I, hrsg. von R. A. Kann, B. K. Király und P. S. Fichtner (= East European Monographs 23), 1977, S. 45 ff.; Biograph. Lex. Südosteuropas.
(A. Suppan)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 38, 1981), S. 282f.
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