Radetzky von Radetz, Johann Josef Wenzel Gf. (1766-1858), Feldmarschall

Radetzky von Radetz Johann Josef Wenzel Graf, Feldmarschall. * Třebnitz b. Selčan (Třebnice, Böhmen), 2. 11. 1766; † Mailand, 5. 1. 1858. Sohn eines Off.; trat, früh verwaist, 1784 als Privatkadett in das Kürassierrgt. 2 ein und machte den Türkenkrieg 1788/89 als Oblt. (1787) und Ordonnanzoff. bei FM Gf. Lacy sowie den Feldzug am Niederrhein 1794/95 als Rtm. mit. 1796 wechselte er als Mjr. in das Pionierkorps über, nahm 1797 an der Verteidigung Mantuas teil und wurde 1798 Kmdt. des Pionierkorps bei der Armee in Italien sowie Gen.Adj. des FML Melas. Als solcher tat er sich 1799 in den Schlachten an der Trebbia und bei Novi hervor. Ende 1799 Obst. und Kmdt. des Kürassierrgt. 3, mit dem er 1800 an der Schlacht von Hohenlinden teilnahm und nach dem Feldzug bis 1805 in Ödenburg (Sopron) garnisonierte. Im Feldzug von 1805 war er als GM und Brigadier bei der Armee in Italien und machte durch einen viertägigen Gewaltmarsch vom Tagliamento nach Marburg (Maribor) von sich reden. 1806–09 war er u. a. mit der Reform der Militärequitation beschäftigt. 1809 wieder als Brigadekmdt. bei der Hauptarmee eingeteilt, deckte er nach dem Rückzug der Armeeabt. Hiller über den Inn die Absetzbewegung der Div. Schusteck. Im selben Jahr FML und dem IV. Korps zugeteilt, wurde er nach dem Waffenstillstand von Znaim (Znojmo) Chef des Gen.Quartiermeisterstabes. Als solcher versuchte er, wenn auch mit wenig Erfolg, die durch die Niederlage und die harten Friedensbestimmungen heruntergekommene k. Armee für eine spätere Auseinandersetzung mit Napoleon vorzubereiten. 1813 wurde R. zum Gen.-Quartiermeister im Stabe des Oberbefehlshabers der Alliierten, des FM Fürst Schwarzenberg, bestellt und nahm als solcher nicht nur wesentlichen Einfluß auf die Festlegung des Operationsplanes gegen Napoleon (Vereinbarung von Trachenberg), sondern drängte auch nach der Schlacht bei Leipzig und der Vertreibung Napoleons aus Deutschland auf die Fortführung der Operationen über den Rhein hinweg. Die Enthebung vom Posten des Gen.Quartiermeisters und seine Versetzung als Divisionär nach Ödenburg 1815 hatten nicht zuletzt ihren Grund in seiner durch die Strapazen des Feldzuges zerrütteten Gesundheit. 1818 wurde er Divisionär in Ofen (Budapest) und Adlatus des Kommandierenden Gen. in Ungarn, 1829 Gen. der Kav. und Festungskmdt. in Olmütz (Olomouc). Die Revolution in Paris im Juli 1830 und die danach auftretenden nationalen Spannungen in den italien. Provinzen der Monarchie ließen die österr. Armee in Italien zu einem der Angelpunkte von Metternichs (s. d.) europ. Sicherheitspolitik werden. 1831 wurde R. mit dem Kmdo. der „italienischen Armee“, die er in den folgenden Jahren durch eine kriegsnahe Ausbildung auf die von ihm als unausweichlich vorausgesehene Auseinandersetzung vorzubereiten versuchte, betraut. 1836 FM. Der Geist, den er seinen Truppen, vor allem dem Off.-Korps, einzuflößen vermochte, ließ die „italienische Armee“, die in den eigenen Reihen entstandene Krise nach Ausbruch des Mailänder Aufstandes im März 1848 überwinden und befähigte R. nach dem Rückzug in die Festung Verona zum Gegenschlag gegen die inzwischen in Lombardo-Venetien eingedrungene piemontes. Armee bei Santa Lucia. Nach mehreren siegreichen Gefechten (vor allem nach der Schlacht bei Custozza am 25. 7. 1848) zog er wieder in Mailand ein und schloß wenige Tage später einen Waffenstillstand. Als Piemont diesen kündigte und 1849 die Operationen erneut aufnahm, schlug R. den Gegner am 23. 3. entscheidend bei Novara. Im August 1849 zwang er schließlich auch Venedig zur Unterwerfung. Im selben Jahr wurde er Militär- und Zivilgouverneur in Lombardo-Venetien und versuchte erfolglos, die feindseligen Strömungen im Inneren – dem äußeren Feind gegenüber hatte er sich maßvoll gezeigt – zunächst durch harte dirigist. wirtschaftliche Maßnahmen zu unterbinden. Während der Spannungen mit Preußen (1850) war er als Oberbefehlshaber in Böhmen vorgesehen. Er war stets ein Gegner Englands und der von dort ausgehenden liberalen Ideen, in der Krise des Krimkrieges gehörte er der russophilen Partei an. 1857 i. R., übersiedelte er nach Mailand, wo er bald darauf starb. Er wurde in Kleinwetzdorf (NÖ) in Pargfriders (s. d.) sog. Heldenberg beigesetzt. R., in seiner Jugend von schwacher Gesundheit, bewahrte sich zeit seines Lebens eine erstaunliche Agilität. Von draufgänger. Naturell, dabei fürsorglich für seine Soldaten und ein Gegner jedes Bürokratismus, wurde er zum Abgott seiner Truppen. Er war als Feldherr ungemein einfallsreich und verband spieler. Kühnheit mit ruhig abwägender Klugheit. Dem beginnenden Zeitalter der Technik stand er aufgeschlossen gegenüber, zunächst auch der Idee der Volksbewaffnung, von der er sich erst nach 1830 abwandte. R. sicherte mit seinem Sieg in Italien nicht nur den Zusammenhalt der Monarchie, sondern trug vorerst auch zur Aufrechterhaltung der alten Rechtsordnung und gleichzeitig zur Wahrung von Österr. Führungsanspruch in Deutschland wesentlich bei. R. wurde vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. mit dem Ritterkreuz (1799), dem Kommandeurkreuz (1809) und dem Großkreuz (1849) des Militär-Maria Theresien-Ordens.

W.: Prakt. Unterricht für die Inf., 1831; Feldinstruktion 1833, 1835, 6. Aufl. 1861, auch italien.; Der k. k. österr. FM Gf. R. Eine biograph. Skizze nach den eigenen Diktaten und der Korrespondenz des FM, hrsg. von F. Heller v. Hellwald, 1858; Denkschriften militärpolit. Inhaltes . . ., hrsg. von F. Heller v. Hellwald, 1858; Erinnerungen aus dem Leben des FM Gf. R. Eine Selbstbiographie, in: Mitth. des k. k. Kriegs-Archivs, NF 1, 1887; Aus meinem Leben 1814–47, in: Österr. Rundschau 14, 1908; etc.
L.: Monatsbl. Adler 10, 1926–30, S. 323 f.; O. Regele, R. und der Donauraum, in: Der Donauraum 3, 1958, S. 14 ff.; ders., FM R. als Erzieher, in: Religion, Wiss., Kultur 9, 1958, S. 91 ff.; W. Wagner, Die Bibl. des FM R., in: Mitt. des Österr. Staatsarchivs 14, 1961, S. 421 ff.; A. Wagner, R. als Chef des Gen.Stabes der Heere der Verbündeten im Herbstfeldzug 1813, in: Österr. Militär. Z. 1, 1963, S. 352 ff.; F. Fritz, R. – Persönlichkeit und Bedeutung, ebenda, 5, 1967, S. 30 ff; ADB; N. Österr. Biogr. 14, 1960, S. 9 ff.; Wurzbach; O. Regele, FM R. Leben – Leistung – Erbe, 1957 (mit Quellen- und Literaturverzeichnis); Gestalter der Geschicke Österr., hrsg. von H. Hantsch (= Stud. der Wr. Kath. Akad. 2), 1962, S. 371 ff.; O. Gschliesser, Tod, Begräbnis und letzte Ruhestätte des FM R., in: Tirol–Österr. (= Schlern-Schriften 238), 1965, S. 82 ff.; J. Niemeyer, Das österr. Militärwesen im Umbruch (= Stud. zur Militärgeschichte, Militärwiss. und Konfliktforschung 23), 1979; A. Sked, The Survival of the Habsburg Empire. R., the Imperial Army and the Class War 1848, 1979; F. Herre, R., 1981.
(J. Ch. Allmayer–Beck)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 8 (Lfg. 39, 1982), S. 370f.
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