Radić Stjepan, Politiker und Publizist. * Trebarjevo Desno (Kroatien), 11. 7. 1871; † Agram (Zagreb), 8. 8. 1928. Bruder des Vorigen; wurde wegen Teilnahme an polit. Demonstrationen zweimal vom Gymn. verwiesen und maturierte 1891 als Externist; seine jurist. Stud. an den Univ. Agram (1891–93), Budapest und Prag (1894) konnte er nicht beenden, da er wegen seiner polit. Aktivitäten immer wieder relegiert wurde. 1896 besuchte er Rußland. 1897 red. er in Prag das Organ der kroat. Fortschrittlichen Jugend, „Hrvatska misao“. 1897–99 stud. er in Paris an der Hochschule für polit. Wiss., 1899/1900 war er wieder in Prag als Mitarbeiter der Z. „Samostatnost“, mußte aber wegen seiner polit. Tätigkeit Prag verlassen. Er war dann in Semlin (Zemun) für mehrere ausländ. Bll. als Balkankorrespondent tätig und publ. auch in einheim. Z. Ab 1902 lebte R. ständig in Agram. Er war zunächst als Sekretär der Vereinigten Opposition, 1902–06 als Red. der neugegründeten Z. „Hrvatska misao“ tätig. 1904 gründete er gem. mit seinem Bruder Antun die Hrvatska pučka seljačka stranka (Kroat. Volks- und Bauernpartei) und wurde deren Führer. Ab 1910 kroat. Landtagsabg. R. befürwortete ein gem. Vorgehen aller slaw. Völker und die Umwandlung der Habsburgermonarchie in ein föderalist. Staatswesen. 1918 entschied er sich für den Eintritt Kroatiens in das Kg.Reich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS), wirkte aber nach dessen Entstehen als Gegner der unitarist. Politik sowie der zentralist. und monarchist. Verfassung und suchte bei den Großmächten Unterstützung für die föderalist. Umgestaltung des Staates. Die Bauernpartei vermochte auch das Bürgertum um sich zu sammeln und wurde mit ihrem Programm der Bauerndemokratie und des konsequenten Föderalismus zur stärksten kroat. polit. Partei. Er wurde als unbestrittener polit. Führer und wahrer Vertreter des kroat. Volkes empfunden und besaß als solcher großes Ansehen. Da er das monarchist. System ablehnte, seine Partei 1919 als republikan. deklarierte und die Mitarbeit im Belgrader Parlament verweigerte, wurde er 1919/20 für elf Monate wegen Hochverrats in Haft genommen. 1924 trat er mit der Bauernpartei der Roten Bauerninternationale in Moskau bei (hielt aber am bisherigen Programm der Partei fest), wurde deshalb während der Wahlen 1925 des Bolschewismus bezichtigt und mit der gesamten Parteiführung verhaftet. Im Gefängnis bekannte sich R. zur zentralist. Staatsverfassung und zur Monarchie. Bei den Wahlen errang die Bauernpartei einen großen Erfolg und bildete mit den serb. Radikalen, nachdem schon 1924 eine Gruppe der Abg. der Kroat. Volks- und Bauernpartei die Obstruktion aufgegeben hatte, eine Regierungskoalition (1925–27). R. wurde Kulturminister (1925/26), ging jedoch 1927 wieder in Opposition und bildete mit der Demokrat. Partei von Pribićević (s. d.) die bäuerlich demokrat. Koalition, die ein föderalist. Programm vertrat. 1928 erhielt er von Kg. Alexander das Mandat zur Regierungsbildung, die wegen der Obstruktion der serb. Radikalen nicht zustandekam. Im selben Jahr wurde R. unter nie ganz geklärten Umständen von einem montenegrin. Abg. der Radikalen im Parlament angeschossen und erlag einige Wochen später seinen Verletzungen.