Rechbauer, Karl (1815-1889), Politiker und Jurist

Rechbauer Karl, Politiker und Jurist. * Graz, 6. 1. 1815; † Graz, 4. 1. 1889. Sohn eines Hilfsämterdir. bei den steiermärk. Landständen; stud. 1833–39 an der Univ. Graz Jus, 1839 Dr. jur. Nach Dienst bei der Kammerprokuratur trat er 1846 zur Advokatur über. 1848 entsandte ihn die Univ. in den provisor. Landtag der Stmk., 1850–52 Gemeinderat von Graz. Während der Ära des Neoabsolutismus enthielt er sich jeder öff. polit. Tätigkeit. 1859 wieder im Gemeinderat, war er an der Ausarbeitung des neuen Gemeindestatuts führend beteiligt. Auch als Mitgl. des steiermärk. Landtags beschäftigte er sich intensiv. mit Fragen der Gemeindeverfassung. Ab 1859 Hof- und Gerichtsadvokat in Graz. 1861–85 Landtags- und Reichsratsabg. (Führer der Autonomistenpartei), 1873–79 Präs. des ersten aus direkten Wahlen hervorgegangenen Abg.Hauses. R. verfolgte entschieden eine bürgerlich-liberale Politik auf der Basis nationalen Selbstbewußtseins. 1868 Obmann der fusionierten Klubs der Liberalen und der Linken, 1881 Mitbegründer der aus dem dt. Fortschrittsklub und dem Klub der Linken gebildeten Vereinigten Linken. Polit. verfocht R. die engste Zusammengehörigkeit des von ihm begrüßten Ausgleichs mit Ungarn mit den Dezembergesetzen von 1867. Er trat für eine freisinnige Regelung der Nationalitätenfrage unter Sicherung der Eigenart jeden Volks und bei gleichzeitiger Wahrung des hist. begründeten Vorrangs des dt. Elements ein, strebte eine Umstrukturierung des Reichsrats an und befürwortete eine vernünftige Dezentralisierung. Er wandte sich energ. gegen das Konkordat und gegen kirchliche Eingriffe in den staatlichen Bereich. Zur radikalen Kürzung der Militärausgaben schlug er die Einführung des Milizsystems vor. R. war Dir. der Steiermärk. Sparkasse und – mus. begabt – im Ausschuß des Musikver. für Stmk. und des Grazer Männergesangver.; 1867 Ehrenbürger von Graz, 1878 w. Geh. Rat.

L.: Tagespost (Graz) vom 5., Wr. Ztg. und Tagespost (Graz) vom 5. 1. 1889 (beide Abendausg.); Jurist. Bll. 18, 1889, S. 19; Allg. Juristen-Ztg. 12, 1889, S. 58; ADB 53; Hahn, 1873; Kosch, Kath. Deutschland; Kosch, Staatshdb.; Wurzbach; Das Parlament 1879–81, hrsg. von A. Eckstein, 1879; G. Kolmer, Parlament und Verfassung in Oesterr. 1–3, 1902–05, s. Reg.; F. Kübl, Advokaten in Politik, Wiss. und Literatur, 1934, S. 60; Quellen zur dt. Politik Österr. 1859–66, hrsg. von H. v. Srbik, 1, 3 ( = Dt. Geschtsquellen des 19. Jh. 29, 31), 1934–36, s. Reg.; H. v. Srbik, Dt. Einheit 3–4, (1942), s. Reg.; L. Pettin, K. R., Abg. und Präs. des österr. Reichsrates 1861–85, phil. Diss. Graz, 1944; D. Harrington-Müller, Der Fortschrittsklub im Abg.Haus des österr. Reichsrats 1873–1910 ( = Stud. zur Geschichte der österr.ung. Monarchie 11), 1972, s. Reg.
(H. J. Mezler-Andelberg)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 41, 1984), S. 3f.
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