Reicher, Emanuel (1849-1924), Schauspieler

Reicher Emanuel, Schauspieler. * Bochnia (Galizien), 7. (18.) 6. 1849; † Berlin, 15. 5. 1924. Sohn eines Advokaten, mit der Sängerin Hedwig R.-Kindermann (1853–1883) verheiratet; besuchte das Gymn. in Krakau (Kraków), wandte sich jedoch der Bühnenlaufbahn zu und war nach Stationen an verschiedenen Provinztheatern der Österr.-ung. Monarchie vorwiegend in München (Theater am Gärtnerplatz), Hamburg (Stadttheater), Weimar und Oldenburg, dazwischen auch in Wien und New York tätig. Der entscheidende künstler. Durchbruch jedoch gelang R., der sowohl Bonvivants als auch Charakter- und Heldenrollen spielte, in Berlin, wo er von der Mitte der 80er Jahre an – bald als eine der führenden Persönlichkeiten des Theaterlebens – wirkte. Nach Engagements am Residenztheater, Kgl. Schauspielhaus (1888 und 1889), danach wieder am Residenztheater und ab 1892 am Lessingtheater wurde R. 1895 von Brahm an dessen Dt. Theater geholt und war bald eine der Hauptstützen des Ensembles. 1902–04 vorübergehend an Reinhardts Kleinem Theater, wirkte er 1904–13 (wieder unter Brahm) am Lessingtheater. 1914 war er Mitgl. der Sozietät Dt. Künstler-Theater, 1915 ging er in die USA, u. a. als Dir. und Schauspieler des New York Garden Theatre (ab 1916), inszenierte aber auch am Jewish Art Theatre etc. 1922/23 nach Europa zurückgekehrt, gastierte er u. a. auch in Wien am Raimundtheater. R. propagierte im Berlin der 90er Jahre eine neue künstler. Bühnenauffassung. Bedeutender Hauptmann-, Ibsen- und Strindbergdarsteller, wurde er durch seinen Darstellungsstil, aber auch durch theoret. Erörterungen und die Gründung einer Hochschule für dramat. Kunst (1899) zum Wegbereiter des Naturalismus in der Schauspielkunst.

Hauptrollen: Ing. Hoffmann (G. Hauptmann, Vor Son nenaufgang); Robert (ders., Das Friedensfest); Johannes Rosmer (H. Ibsen, Rosmersholm); Pastor Manders (ders., Gespenster); Halvard Solneß (ders., Baumeister Solneß); Egmont (J.W. v. Goethe, Egmont); Jago (W. Shakespeare, Othello); Rittmeister (A. Strindberg, Der Vater); Dr. Schön (F. Wedekind, Erdgeist); Ein Schauspieler (M. Gorki, Nachtasyl); Gustav Heinck (H. Bahr, Das Konzert); Herzog Denovalin (E. Hardt, Tantris der Narr); etc. – Inszenierungen: G. Hauptmann, Die Weber; etc. – Publ.: Brief an H. Bahr, in: H. Bahr, Stud. zur Kritik der Moderne, 1894, S. 314 ff.; Mein Le benslauf, in: Theater-Kal. . . . 1910, hrsg. von H. Landsberg und A. Rundt, (1909); Aus E. R.s Erinnerungen, in: Neues Wr. Journal vom 16. 11. 1916; etc.
L.: N. Fr. Pr. vom 16. 5., Neues Wr. Journal vom 16. und 25. 5. 1924; L. Berg, E. R., in: Allg. Theater-Revue für Bühne und Welt 1, 1892, n. 3, S. 5 ff.; Ph. Stein, E. R., in: Bühne und Welt 7, 1904/05, S. 25 ff.; H. Kienzl, E. R., in: Das Theater 2, 1910/11, S. 158 ff.; Eisenberg, Bühnenlex.; Enc. dello spettacolo; Nagl–Zeidler–Castle 4, s. Reg.; Universal Jew. Enc.; H. Bahr, Überwindung des Naturalismus, 1891, S. 217 f.; J. Bab – W. Handl, Dt. Schauspieler, 1908, S. 58 ff.; H. Hense, O. Brahm und das Dt. Theater in Berlin, phil. Diss. Erlangen, (1929), S. 12, 19 ff.; J. Wilcke, Das Lessingtheater in Berlin (1888–98), phil. Diss. Berlin, (1958), S. 97, 252; L. Hirschmann, Das Berliner Residenztheater und das Neue Theater unter der Leitung von S. Lautenburg . . ., phil. Diss. Berlin, 1960, S. 78, 82 f., 90; E. Winterstein, Mein Leben und meine Zeit, 1963, s. Reg.; Theater der Jh. Wende. Kritiken von H. Bahr, ausgewählt von H. Kindermann, 1963, S. 100, 103, 106 ff., 421; W. Buth, Das Lessingtheater in Berlin (1904–12), phil. Diss. München, 1965, S. 100, 162 ff., 174 f., 184, 200 f.; M. Jeitschko, Dt. Dramatik auf New Yorker Bühnen, 1900–65 im Spiegel der Kritik, phil. Diss. Wien, 1966, S. 69 f., X; H. Kindermann, Theatergeschichte Europas 8, (1968), s. Reg.; Mitt. Ch. Gugg (†), Wien.
(E. Lebensaft)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 41, 1984), S. 32f.
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