Riedel, Josef Gottfried von (1803-1870), Psychiater

Riedel Josef Gottfried von, Psychiater. * Friedland (Frýdlant, Böhmen), 17. 1. 1803; † Wien, 7. 11. 1870. Sohn eines Tuchmachers; stud. Phil. und Med. an der Univ. Prag, 1830 Dr. med. R. war bereits 1829 Sekundararzt an der Irrenanstalt in Prag; während der Choleraepidemie von 1831 leitete er das größte Choleraspital in Lemberg (L’viv), 1835 Polizeibez.- und Zwangsarbeitshausarzt in Prag, 1837 wurde er Primararzt und Dir. der Prager Irrenanstalt, 1842 bewirkte er die Trennung vom Allg. Krankenhaus und leitete den Bau des neuen Prager Irrenhauses. 1847 wurde er auch suppl. Dir. aller Prager Kranken- und Wohltätigkeitsanstalten. Ab 1851 wirkte R. in Wien als Dir. der Irrenanstalt, die unter seiner Leitung neu gebaut und reorganisiert wurde. Ab 1851 war R. auch Mitgl. der ständigen Medizinalkomm. im Min. des Inneren und mit dem Referat über alle Arbeiten in Irrenangelegenheiten in Österr. betraut. Er übte auch eine Konsulenten- und Gutachtertätigkeit bei Umund Neubauten von Irrenanstalten u. a. in Ofen, Pest, Hermannstadt (Sibiu), Venedig, Brünn (Brno), Agram (Zagreb), Lemberg, Berlin, Baden und Braunschweig aus. R. wurde vielfach geehrt und ausgezeichnet, u. a. 1859 Reg.Rat, 1868 nob., Präs. des Ver. für Psychiatrie und Neurol. R., der Reformator des Irrenwesens in Österr., vertrat in der Psychiatrie die sog. humanist. Richtung. Er gab zahlreiche Impulse für die Einführung eines klin. Unterrichtes in der Psychiatrie. Er verbesserte das Milieu der hospitalisierten Patienten, die Pflege war genau geordnet. Die tägliche Arbeitsund Beschäftigungstherapie war der Art der Erkrankung, dem Alter, dem Geschlecht und der früheren Lebensweise der Patienten, die für ihre Arbeit bezahlt wurden, angepaßt. R. führte eine Bäderbehandlung und Gymnastik sowie eine Erziehungstherapie mit Unterricht in Geographie, Geschichte und Literatur ein, ferner eine Musiktherapie mit Auff., künstler. Gestalten (Malen, Zeichnen, Modellieren) und veranstaltete Ausflüge, Tanz- und Theaterabende. R.s Bedeutung liegt vor allem in seiner beispielhaften organisator. Tätigkeit zur Verbesserung der Unterbringung wie auch der vielfältigen Therapie und geordneten Betreuung von Geisteskranken. Er wurde auch zur Behandlung von Kn. Charlotte von Mexiko (s. Maria Charlotte) zugezogen.

W.: Prag’s Irrenanstalt und ihre Leistungen in den Jahren 1827, 1828 und 1829 . . ., 1830; Die asiat. Brechruhr, nach den in Galizien gemachten Erfahrungen und Beobachtungen, 1832; etc.
L.: Bohemia vom 11. 11. 1870; WMW 20, 1870, Sp. 1294; ADB: Hirsch; Lesky (s. Riedl J. G.), S. 177, 185 f.; Wurzbach; H. Rotter, Die Josefstadt 2, 1918, S. 320; Berze, J. G. Ritter v. R. 1803–70, in: Dt. Irrenärzte. Einzelbilder ihres Lebens und Wirkens, hrsg. von Th. Kirchhoff, 1, 1921, S. 206 ff.; W. Koerting, Die Dt. Univ. in Prag ( = Schriftenr. der Bayer. Landesärztekammer 11), 1968, S. 186; E. Vencovsky, J. R. und sein Einfluß auf die Tschech. Psychiatrie, in: Atti del XXI. Congresso internazionale di storia della medicina. . . Siena 1968, (1970), S. 724 ff.; Allg. Verw. A., Wien.
(G.Roth)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 42, 1985), S. 137f.
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