Riedl Richard, Wirtschaftspolitiker. * Wien, 8. 12. 1865; † Wien, 9. 3. 1944. Sohn eines Beamten der Tabakregie; trat nach jurid. Stud. an der Univ. Wien (1884–89) und einjähriger Gerichts- und Bankpraxis 1890 in den Dienst der niederösterr. Handels- und Gewerbekammer, 1907 Erster Sekretär. Er erwarb sich hinsichtlich der Reform des Gewerbekatasters und der Gewerbestatistik bes. Verdienste, erstellte den Plan zur ersten modernen Betriebszählung in Österr. und verwaltete überaus erfolgreich die K. Franz Josefs-Stiftung zur Hebung der niederösterr. Kleineisenind. R. war Mitbegründer der Handelspolit. Zentralstelle, deren Büro er vorstand, und verfaßte in dieser Funktion zahlreiche zollrechtliche Gutachten. 1904 übernahm er auch das Handelspolit. Dep. der Kammer. 1909 Sektionschef extra statum im Handelsmin. (IV. Sektion für handelspolit. Agenden, Zoll- und Seeschifffahrts-Angelegenheiten und Seeverwaltung). Er spielte bei den Ausgleichsverhh. mit Ungarn eine bedeutende Rolle und fungierte bei den Verhh. über die Handelsverträge mit Serbien und Rumänien (1911) als Vertreter der österr. Regierung. Während des Ersten Weltkriegs war er Gen.-Koär. fürKriegs- und Übergangswirtschaft, 1918/19 gehörte er als Unterstaatssekretär für Kriegs- und Übergangswirtschaft dem ersten Kabinett Renner an, gleichzeitig auch der Staatskomm. für Sozialisierung. Nach dem Ersten Weltkrieg zählte R. zu den bedeutendsten Befürwortern eines Zusammenschlusses der europ. Staaten bzw. einer Zollunion. Er entwickelte ein sog. Mitteleurop. Konzept, das die wirtschaftliche Zusammenarbeit Österr., Ungarns und des Dt. Reiches mitspäterem Beitritt anderer Staaten vorsah. 1921–25 war er ao. Gesandter Österr. in Berlin. Ab 1926 fungierte er als österr. Vertreter in der Internationalen Handelskammer und versuchte auch in dieser Position, den wirtschaftlichen Zusammenschluß der europ. Staaten unter Bewahrung von deren polit. Souveränität durchzusetzen. Als alle Bemühungen scheiterten, trat R. 1934 als geschäftsführendes Präsidialmitgl. der österr. Landesgruppe der Internationalen Handelskammer zurück. 1938, nach dem Anschluß Österr. an das Dt. Reich, wurde R. für kurze Zeit kommissar. Leiter der Wr. Handelskammer, dann in den Beirat der Reichswirtschaftskammer berufen.