Samassa, Paul (1868-1941), Schriftsteller, Politiker und Zoologe

Samassa Paul, Schriftsteller, Politiker und Zoologe. * Laibach (Ljubljana), 15. 9. 1868; † Graz,17. 8. 1941. Sohn des Industriellen Albert S., Enkel des Fabrikanten Anton S. (beide s. d.), Bruder des Vorigen; stud. ab 1886 Med. und Naturwiss. an den Univ. Graz, Würzburg (1888), München (1889, 1890 Dr. med., 1891 Dr.phil.) und Wien (1889/90), 1893 Habil, für Zool. an der Univ. Heidelberg, 1897 ao. Prof. S. gab im selben Jahr aus Gesundheitsgründen seine akadem. Laufbahn auf und wandte sich publizist.-polit. Tätigkeit zu, u. a. als Chefred, der „Münchner Neuesten Nachrichten“ (1899) und als Red. der „Alldeutschen Blätter“ (1900–08), dem Organ des Alldt. Verbandes, in welchem er allmählich eine Art Chefideologenrolle übernahm. Als Publizist war ersowohl in Österr. als auch im Dt. Reich und in auslandsdt. Ztg. vertreten. Im Auftrag des Alldt. Verbandes bemühte er sich zunächst von Berlin, ab 1911 von Wien aus um die reichspolit. Koordinierung der dt.österr., bes. der dt.nationalen Parteien und Schutzver. Seine vielfältigen Beziehungen sowohl zur Militärkanzlei des Erzh.-Thronfolgers Franz Ferdinand (s. d.) – bes. zu C. Bardolff –, als auch u. a. zur Dt. Volkspartei, zum Ver. Südmark, zum Dt. Volksrat für Böhmen, zum Dt. Klub und zur Ungarländ.-Dt. Volkspartei ließen ihn vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu einer Schlüsselfigur der dt.national-alldt. Politik in der Habsburgermonarchie und im Dt. Reich werden. Als Publizist widmete er sich vorzugsweise Themen wie dem dt. Nationalstaatsproblem, der Reichsreform der Donaumonarchie, dem dt.-slaw. „Rassenkampf“ und der wilhelmin. Weltpolitik. Während des Ersten Weltkrieges wirkte er bei der Abfassung einiger wichtiger Kriegszieldenkschriften u. a. von H. Friedjung (s. d.) und H. Claß mit. 1918/19 gewann er Anteil an der programmat. Vorbereitungder der 1920 gegründeten Großdt. Volkspartei. Während der folgenden beiden Jahrzehnte verzichtete S., der sich im Herbst 1918 auf ein Weingut bei Bozen zurückgezogen hatte, auf polit. Aktivitäten. 1938 wurde er aus Italien ausgewiesen und übersiedeltenach Österr. Das dt. Nationalstaatsproblem betrachtete er einerseits als Existenzfrage aller dt.sprachigen Bewohner Mittel- und Osteuropas, anderseits als wichtigsten Gegenstand sowohl der reichsdt. als auch der österr.-ung. Politik. Er trug im dt.nationalen Lager ab der Jh.Wende wesentlich zur Korrektur des schönerian. Irredentismus bei. In ständiger Auseinandersetzung mit Schönerer vertraten S. bzw. der Alldt. Verband und die gemäßigten österr. Dt.Nationalen das Konzept, künftige Gestaltungen großdt. Einheit nicht auf den Trümmern der Habsburgermonarchie zu errichten, sondern diese durch innere Germanisierung langfristig zu einem Tl. des angestrebten dt. dominierten Mitteleuropa umzuformen.

W.: Die Zukunft der Deutschen Österr. Von einem Dt-Österreicher, 1898; Die slaw. Gefahr in den Ostmarken, 1902; Das neue Südafrika, 1905, 2. Aufl. (1928); Die Besiedlung Dt.-Ostafrikas, 1909; Der Völkerstreit im Habsburgerstaat, 1910; zahlreiche Beitrr. in Z. und Ztg., u. a. Wr. Dt. Tagbl., Grazer Tagbl., Ostdt. Rundschau, Hamburger Nachrichten,Tägliche Rundschau, Dt. Ms., Grenzboten, Düna-Ztg.; etc. Hrsg.: Dt.-Österr. 1, 1913/1914; etc.
L.: G. Schödl, P. S. Ein biograph. Beitr. zur Vorgeschichte des „extremen Nationalismus“ in Deutschland und Österr. in: Südostdt. Archiv 221, 1978, S. 75 ff.; Kosch; Kosch, Kath. Deutschland; Nagl–Zeidler–Castle 4, S. 1258; G. Berka, 100 Jahre Dt. Burschenschaft in Österr. 1859–1959, 1959, s. Reg.; G. Schödl, Alldt. Verband und dt. Minderheilenpolitik in Ungarn 1890–1914 ( = Erlanger Hist. Stud. 3), (1978); D. Drüll, Heidelberger Gelehrtenlex. 1803–1932, (1986).
(G. Schödl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 9 (Lfg. 45, 1988), S. 407f.
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