Scherer, Johann Baptist Andreas Ritter von (1755–1844), Mediziner und Naturwissenschaftler

Scherer Johann Baptist Andreas Ritter von, Mediziner und Naturwissenschaftler. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 24. 6. 1755; gest. Wien, 10. 4. 1844; röm.-kath. Sohn des Arztes Andreas Scherer, Bruder des Stabsfeldarztes, Anatomen und Physiologen Joseph Scherer (1750–1844). – Über S.s Schulbildung ist nichts bekannt. Er studierte zunächst in Prag, später in Wien Medizin; 1782 Dr. med. nach Abfassung der Dissertation „De Eudiometria sive methodus aeris atmosphaerici puritatem salubritatemque examinandi“, in der er sich der Luftgüte-Prüfung widmete. In der Folge wirkte er als praktischer Arzt und bereiste in seiner Funktion als Substitut des Mediziners Joseph Ritter von Schreibers die Schweiz, Italien, Slawonien und besonders die böhmischen Kurorte Karlsbad (Karlovy Vary) und Teplitz (Teplice). 1797 wurde S. als Professor der Chemie an die Theresianische Ritterakademie berufen und lehrte dort bis zu seiner Ernennung zum Professor für allgemeine und spezielle technische Chemie am neu gegründeten ständisch-polytechnischen Institut in Prag im Mai 1803. Da sich die Eröffnung des Instituts allerdings bis November 1806 verzögerte und S. im Oktober desselben Jahres zum Professor der Speziellen Naturgeschichte (Zoologie, Mineralogie) an der Universität Wien ernannt wurde, übte er das Lehramt in Prag nicht aus. Als Nachfolger von →Peter Jordan hatte S. die Lehrkanzel für Spezielle Naturgeschichte der Universität Wien bis zu seiner Pensionierung 1833 inne. S. widmete sich mehr der Physiologie, Physik und Chemie als der beschreibenden Naturgeschichte. Das Thema seiner Dissertation setzte er u. a. 1785 mit der Publikation der zweibändigen „Geschichte der Luftgüteprüfungslehre für Aerzte und Naturfreunde“ fort, befasste sich mit Fragen zur antiphlogistischen Chemie und legte eine Übersetzung der „Experiments upon vegetables“ von Jan Ingen-Housz ins Deutsche vor („Versuche mit Pflanzen, hauptsächlich über die Eigenschaft, welche sie in einem hohen Grade besitzen, die Luft im Sonnenlichte zu reinigen …“, 3 Bände, 1786–90). Die heute als Barégine bezeichneten Bildungen von Algen, Blaualgen und Bakterien in Thermalquellen beschrieb S. zunächst 1786 in seinen „Observationes et experimenta super materia viridi thermarum Carolinarum et Toeplizensium Regni Bohemiae“ (in: Nicolaus Jacquin, Collectanea ad botanicam, chemiam, et historiam naturalem spectantia 1), 1787 dann mit dem deutschen Titel „Beobachtungen und Versuche über das pflanzenähnliche Wesen in den warmen Karlsbader und Töplitzer Wässern in Böhmen“. Spätere Arbeiten widmete er wieder der physikalischen Chemie, weitere Schwerpunkte bildeten die Meteoritenkunde und Schriften über Eingeweidewürmer, z. B. „Bemerkungen über die mährischen Meteorsteine, vorzüglich in Hinsicht auf ihre Inkrustirung“ (in: Annalen der Physik 31, 1809), „Über den Ursprung der Eingeweidewürmer“ (in: Medicinische Jahrbücher des kaiserl. königl. österreichischen Staates 3/2, 1815), „Ueber Helminthographie“ (ebd. 3/4, 1816) und „Topologie der Eingeweidewürmer“ (ebd. 4/1, 1817). S. war u. a. ab 1785 Mitglied der Königlichen Böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften und der Hochfürstlich Hessen-Homburgischen Patriotischen Gesellschaft zur Beförderung der Kenntnisse und Sitten, 1809 wurde ihm das Kleinkreuz des Leopold-Ordens verliehen, 1811 erfolgte die Erhebung in den erbländischen Ritterstand.

Weitere W.: s. Wurzbach; Callisen.
L.: WZ, 13. 4., 17. 5. 1844; Oesterreichischer Beobachter, 22. 5. 1844; Poggendorff 2; Stafleu; Wurzbach (m. W.); A. C. P. Callisen, Medicinisches Schriftsteller-Lexicon der jetzt lebenden Aerzte … 17, 1833 (m. W.); V. Maiwald, Geschichte der Botanik in Böhmen, 1904, s. Reg.; H. H. Egglmaier, Naturgeschichte. Wissenschaft und Lehrfach, 1988, s. Reg.; L. Salvini-Plawen – M. Mizzaro, in: Verhandlungen der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Österreich 136, 1999, S. 10f. (m. B.); M. Svojtka, in: Berichte der Geologischen Bundesanstalt 83, 2010, S. 50ff.; UA, Wien (m. B.).
(M. Svojtka)   
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)

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