Scherzer, Johann Georg d. Ä. (1776-1858), Gastwirt

Scherzer Johann Georg d. Ä., Gastwirt. * Unterschlauersbach, Bayern (BRD), 8. 1. 1776; † Wien, 1. 3. 1858. Sohn eines Gastwirts, Vater des Folgenden; führte ab 1802 das nach einem Vorbesitzer bzw. dessen Hauszeichen benannte Gasthaus „Zum Sperlbauer“ in Wien-Leopoldstadt. 1806 erwarb er die Lokalitäten, baute sie um und eröffnete 1807 einen neuen Tanzsaal. Durch das Auftreten von Musikern wie M. Pamer und J. Lanner (s. d.) wurde der „Sperl“ zum Ersten Vergnügungslokal Wiens. Mehr als ein Viertel der Werke von J. Strauß Vater (Musikdir. bei S. ab 1829) wurde hier uraufgef. (u. a. der „Sperl-Galopp“, 1831, und die „Sperl-Polka“, 1839); es fanden jene Bälle und Feste – unter dem Arrangement des Tanzmeisters F. Rabensteiner (s. unter Rabensteiner Eduard) – statt, die den Sperl „geradezu zum Symbol der Wiener Lebensart“ werden ließen, der auch im Ausland Nachahmung fand. 1835 verpachtete S. den Sperl an seine Söhne Johann Georg (s. unten) und Josef Leonhard (* Wien, 23. 10. 1813; † Wien, 17. 6. 1845). 1837 trennte sich Johann Georg geschäftlich von seinem Bruder, der 1842 in Konkurs ging. S. übernahm wieder selbst den Betrieb, mußte ihn jedoch ab 1843 verpachten, 1857 schließlich an F. Daum verkaufen; das Etablissement sank zu einem Treffpunkt der Halbwelt herab und wurde 1873 geschlossen. S. war auch auf sozialem Gebiet (u. a. als Armenvater) sowie in der evang. Gemeinde AB tätig. 1826 kaufte er in Bad Vöslau (NÖ) Weinrieden, die er nach moderner Methode regenerierte. Er war 1819 einer der Mitbegründer der Ersten österr. Spar-Casse, 1828–40 Vorsteher, 1841–55 Kurator, ab 1855 Ehrenkurator. 1835 Mitgl. des Äußeren Rats der Stadt Wien, die ihn 1842 mit der Großen Goldenen Salvatormedaille auszeichnete. Sein Sohn Johann Georg Scherzer d. J. (* Wien, 12. 8. 1811; †?) war 1840–50 Vorsteher und 1851–59 Ausschußmitgl. des Ver. der Ersten österr. Spar-Casse. Off. bei der Wr. Bürgergarde, leitete er während der Märzrevolution 1848 eine Bürgerdeputation beim K., die angeblich den Rücktritt des Staatskanzlers Metternich (s. d.) erwirkte. Als Abg. von Klosterneuburg in den Österr. Reichstag gewählt, war er während der Oktoberrevolution 1848 drei Tage provisor. Oberkmdt. der Nationalgarde, trat jedoch zurück, da er den Sturm auf das Zeughaus nicht hatte verhindern können.

L.: Ztg. für die elegante Welt vom 7. und 8. 10. 1833; Abend-Ztg. auf das Jahr 1834 vom 7. 7. 1834; Der Telegraph . . . vom 29. 2. 1836 und 3. 3. 1837; Die Presse vom 2. und 3., Wr. Theałerztg. vom 4. 3. 1858; Waldheim’s Illustrirte Ztg. vom 10. 5. 1862; Neue kom. Briefe des Hans-Jörgels . . ., 17, 1833, S. 34ff., 21, 1834, S. 20ff.; Groner (s. unter Sperlbauer); F. Ullmayer, Wr. Volksleben, 1873, H. 1–4, S. 13ff.; J. Schrank, Die Prostitution in Wien . . . 1, 1886, S. 259f., 378, 395ff.; W. Kisch. Die alten Strassen und Plaetze von Wien’s Vorstädten . . . 1, 1888, S. 261ff.; F. Gräffer, Kleine Wr. Memoiren und Wr. Dosenstücke, hrsg. von A. Schlossar und G. Gugitz, 1 ( = Denkwürdigkeiten aus Altösterr. 13), 1918, S. 476f.; R. Schlumberger Edler v. Goldeck, Weinhandel und Weinbau im K. Staate Österr. 1804–1918, 1937, s. Reg.; M. Schönherr–K. Reinöhl, J. Strauß Vater. Ein Werksverzeichnis . . . ( = Das Jh. des Walzers 1), 1954, s. Reg.; C. Meisl, Humorist. Ged. über die Stadt und die Vorstädte Wien’s 6, o. J., S. 9ff.; H. Pemmer, Alt-Wr. Gast- und Vergnügungsstätten, o. J., Manuskript, Wr. Stadt- und Landesarchiv, Wien, 1, S. 154ff., 2, S. 363; Wr. Stadt- und Landesarchiv, Wien; Mitt. Erste österr. Spar-Casse, Wien. – Johann G. S. d. J.; H. Reschauer–M. Smets; Das Jahr 1848, 1, 1872. S. 306f., 2, 1872, S. 582f.; J. A. v. Helfert, Geschichte der österr. Revolution 1, 1907, s. Reg.; F. Thausing, 100 Jahre Sparkasse, 1919, S. 457; R. SchlumbergerEdler v. Goldeck, Weinhandel und Weinbau im K. Staate Österr. 1804–1918, 1937, s. Reg.; Mitt. M. Göbl, Wien.
(E. Wald)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 46, 1990), S. 92f.
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