Schlitter Hanns (Johann), Archivar und Historiker. Geb. Vicenza, Venetien (Italien), 8. 3. 1859; gest. Wien, 9. 5. 1945. Sohn des Folgenden; stud. ab 1879 an der Univ. Wien Geschichte, u. a. bei Büdinger, O. Lorenz (beide s. d.) und Heinrich v. Zeissberg, 1884 Dr. phil. Trat noch im selben Jahr in den Dienst des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, wurde 1886 Archivarkonzipist 2. Kl., 1898 Haus-, Hofund Staatsarchivar, 1908 Sektionsrat, 1909 Zweiter, 1912 Erster Vizedir., 1913 HR und Dir. des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, 1918 Titel und Charakter eines Sektionschefs, aber im selben Jahr vom Dienst enthoben, 1919 i. R. S., der 1885 eine Stud.Reise in die USA unternommen hatte, nahm selbst zahlreiche Ordnungsbzw. Katalogisierungsarbeiten an den Beständen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs vor, förderte daneben aber auch die wiss. Zusammenarbeit der Beamten auf diesem Gebiet (Generalkat.) und bei Publ. (Corpus pacificationum, Reichsreg. Karls V.). 1907 regte er für Veröff. zur Geschichte der Gesamtmonarchie die Einrichtung einer eigenen Literatursektion im Archiv an und trat zu Beginn des Jh.s, als dem Hofkammerarchiv eine Zerreißung der dortigen Bestände drohte, für dessen Angliederung an das Haus-, Hof- und Staatsarchiv ein. S. publ. zahlreiche Darstellungen und Editionen zur österr. Geschichte der zweiten Hälfte des 18. Jh.s, des Vormärz und des Neoabsolutismus. Bes. hervorzuheben ist seine Ausg. der Amtstagebücher des Obersthofmeisters Maria Theresias, mit der er eine bedeutende Quelle zur Geschichte Österr. in dieser Epoche erschloß. Aus der Beschäftigung mit archival. Quellen und eigenem Erleben gewann S. die Überzeugung, daß für den Fortbestand der Habsburgermonarchie in den Kriegsjahren neben dynast. Bindungen eine von Cis- und Transleithanien gegenüber dem Ausland zu vertretende polit. und wirtschaftliche Solidarität notwendig sei, für die er auch publizist. eintrat. S., 1903 für neuere Geschichte an der Univ., 1904 an der Techn. Hochschule in Wien habil., war 1904 Gründungsmitgl. der Ges. für neuere Geschichte Österr. sowie 1915, 1917 und 1919 Prüfungskoär. am Inst. für österr. Geschichtsforschung. Er erfuhr zahlreiche Ehrungen, u. a. wurde er 1912 korr. Mitgl. der Belg. Akad. der Wiss., 1914 der Société royale d’Archéol. in Brüssel, 1919 der Akad. der Wiss. in Wien, 1916 Mitgl. des Archivrates. S. verehelichte sich erst 1939 im Alter von 80 Jahren. Er erwarb sich bleibende Verdienste um das Haus-, Hof- und Staatsarchiv sowie um die neuere Geschichte Österr.