Schmitt, Eugen Heinrich (Jenő Henrik) (1851-1916), Philosoph und Fachschriftsteller

Schmitt, — Eugen Heinrich (Jenő Henrik) Philosoph und Fachschriftsteller. Geb. Znaim, Mähren (Znojmo, Tschechoslowakei), 5. 11. 1851; gest. Berlin-Schmargendorf (Deutschland), 14. 9. 1916. Sohn eines Hptm., übersiedelte er nach dessen Tod im Alter von vier Jahren in den Geburtsort seiner Mutter, Zombor, Kom. Bács-Bodrog (Sombor). Aus gesundheitlichen Gründen vermochte er nicht die Soldatenlaufbahn zu ergreifen. Da er sich nach der Matura (1870) in Szabadka (Subotica) kein Stud. leisten konnte, arbeitete er zunächst als Kanzleischreiber in Zombor. S., der sich schon früh mit philosoph. Stud. beschäftigte, gewann 1887 mit der Arbeit „Das Geheimnis der Hegelschen Dialektik“ den Preis der Berliner Philosoph. Ges. Auf Initiative des ung. Unterrichtsministers August von Trefort erhielt er ein Staatsstipendium an der Univ. Budapest, 1888 Dr. phil.; 1888/89 stud. S. weiterhin Phil. an der Univ. Berlin. 1890 wurde er Bibliothekar im Justizmin. in Budapest. Nachdem er bereits mehrmals als Versammlungsredner aufgetreten war, verzichtete er 1896 in einem offenen Brief an den Justizminister auf seine Stelle und auf seine Pension, um sich Gedanken- und Gewissensfreiheit zu bewahren. Er lebte von nun an als Privatgelehrter in Budapest, ab 1908 in Berlin, und verfaßte zahlreiche philosoph. Werke. 1903 wurde er zum Ausschußmitgl. des Giordano-Bruno-Bundes in Berlin gewählt. Wegen seiner philosoph.-anarchist. Ideen, die er in der von ihm 1894 in Leipzig gegründeten Z. „Die Religion des Geistes“, zu deren Mitarbeitern sein Freund Leo Tolstoj gehörte, und der inBudapest erschienenen Ws. „Állam nélkül“ (Ohne Staat) propagierte, kam er 1896–98 wiederholt vor Gericht, wurde aber jeweils freigesprochen. Bes. Aufsehen erregte sein erster Prozeß, in dessen Verlauf er erklärte, nicht zu seiner Verteidigung, sondern als Ankläger und Richter über das scheinchristliche Zeitalter zu sprechen. S., der in Berlin auch die „Gnostischen Abende“ leitete, stand anfänglich unter dem Einfluß von Hegel und Feuerbach, entwickelte jedoch später ein eigenes Gedankensystem – die sog. „Neugnosis“ –, in dem sich idealist. Pantheismus mit christlichem Gedankengut verband.

W.: Das Geheimnis der Hegelschen Dialektik ( = Philosoph. Vorträge, NF 15– 17), 1888; F. Nietzsche an der Grenzscheide zweier Weltalter, 1898, 2. Aufl. 1902; L. Tolstoi und seine Bedeutung für unsere Kultur, 1901; Die Gnosis. Grundlagen der Weltanschauung einer edleren Kultur, 2 Bde., 1903–07; Der Idealstaat ( = Kulturprobleme der Gegenwart 8), 1904; Kritik der Phil. vom Standpunkt der intuitiven Erkenntnis, 1908; Ibsen als Prophet. Grundgedanken zu einer neuen Ästhetik, 1908; Beitrr. in: Die Rettung wird kommen . . . 30 unveröff. Briefe von L. Tolstoi an H. S., hrsg. von E. Keuchel, 1926; usw. Hrsg.: Die Religion des Geistes, 1894–96; Für alle Tage. Ein Lebensbuch von L. Tolstoi, gem. mit A. Skarvan, 2 Bde., 1906–07.
L.: Die Zeit vom 16., Pester Lloyd vom 17. 9. 1916; Das geistige Ungarn; Eisler; Kosel 2; M. Életr. Lex.; Révai; RGG; Szinnyei; Új M. Lex.; Ziegenfuss; Deutschlands, Oesterr. - Ungarns und der Schweiz Gelehrte, Künstler und Schriftsteller in Wort und Bild, 1908, S. 437 f. (mit Bild); Enc. filosofica 7, (1982); UA Berlin (Humboldt-Univ.), Berlin, Deutschland.
(A. Stöckelle)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 10 (Lfg. 48, 1992), S. 253f.
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