Schoeller, Gustav von (1830-1912), Großindustrieller und Wirtschaftsfunktionär

Schoeller Gustav von, Großindustrieller und Wirtschaftsfunktionär. Geb. Brünn, Mähren (Brno, Tschechien), 3. 5. 1830; gest. ebenda, 18. 12. 1912. Aus der Brünner Linie der Familie S. Sohn von Philipp Wilhelm d. Ä., Bruder von Philipp Johann (beide s. d.), Vater von Gustav (Philipp) und Friedrich (Leopold) (beide s. u.), Onkel von Philipp Joseph und Richard v. S. (beide s. d.); ab 1855 mit der Brünner Industriellentochter Leopoldine Haupt verehel.; evang. AB. S. besuchte die Brünner evang. Schule sowie die Handelsschule in Leipzig und erhielt seine fachl. Ausbildung in der väterl. Tuchfabrik, die kommerzielle im Ausland, u. a. 1854 in den USA (seine dort angeknüpften Beziehungen sollten später der Brünner Ind. zugute kommen). Vorerst gem. mit seinem Vater, leitete S. nach dessen Tod 1877 die Brünner Tuchfabrik „Gebrüder Schoeller“ alleine, war aber auch Gesellschafter der Fa. „Schoeller & Co.“ in Wien sowie Präs. und Verwaltungsratsmitgl. zahlreicher industrieller Unternehmungen, wie der von ihm gegründeten Brünner Kammgarn-Spinnerei, der Mähr. Escomptebank, der Leipnik-Lundenburger Zuckerfabriken-AG, der Miröschau-Libuschin-Schwadowitzer Steinkohlenbergbau-AG usw. Er engagierte sich in einer Reihe von Körperschaften, die der Förderung der industriellen und gewerbl. Produktion dienten, wie im 1861 gegründeten Mähr. Gewerbever., dessen erster Präs. (später Ehrenmitgl.) er durch zwölf Jahre war, im Ver. der Wollindustriellen, den er von der Gründung 1883 bis 1897 gleichfalls als Präs. leitete, insbes. aber – ab 1865 als Mitgl., ab 1885 als Vizepräs. bzw. ab 1909 als Präs. – in der Brünner Handels- und Gewerbekammer. Als die Bemühungen der Kammer um die Errichtung eines k. dt. Konsulats in Brünn 1878 Erfolg hatten, war S. – der auch bereits Konsularagent der USA war – bis 1900 dt. Konsul für Mähren und Schlesien. Daneben machte er sich auch auf dem Sektor der Ind.Ausst. verdient, insbes. um die K.-Jubiläums-Ausst. in Brünn 1888, bei der er auch als Präs. der Jury fungierte, sowie als Delegierter der Brünner Handels- und Gewerbekammer in der Ständigen österr. Ausst.Komm., und beteiligte sich rege an der Gründung und Verwaltung der von der Kammer ins Leben gerufenen Institutionen, wie der Arbeiter-Kranken- und Pensionskasse der Schafwollwarenfabriken, der Lehranstalt für Textilind. usw. S. wirkte auch auf öff.- kommunalem Sektor, u. a. 1885–1901 als Mitgl. des Brünner Gmd.Ausschusses, und war u. a. Ehrenkurator der evang. Gmd. zu Brünn. Er wurde mit in- und ausländ. Orden ausgez., u. a. Off. der französ. Ehrenlegion, Komtur des Franz Joseph-Ordens und Ritter des Ordens der Eisernen Krone 2. Kl. Auch S.s Söhne, Gustav (Philipp) v. S. (geb. Brünn, 6. 8. 1866; gest. Wien, 28. 1. 1950) und Friedrich (Leopold) (Fritz) v. S. (geb. Brünn, 27. 3. 1872; gest. Innsbruck, Tirol, 23. 1. 1946), evang. AB, waren – gem. mit ihrem Schwager Alexander v. Schreiber – in die Leitung der Schoellerschen Unternehmungen involviert und führten das Werk des Vaters weiter. Gustav, der sieben Klassen Oberrealschule in Brünn und 1885/86 das Einjährig-Freiwilligenjahr absolv. hatte, widmete seine Haupttätigkeit der Herrschaft Leva (Levice) und konnte aus ihr einen Musterbetrieb machen. Friedrich besuchte nach der Matura in Brünn ein Jahr die Handelsakad. in Leipnik (Lipník), absolv. 1890/91 das Einjährig-Freiwilligenjahr (er war im Ersten Weltkrieg, zuletzt als Oblt., aktiv), war Mitte der 90er Jahre bei der Dt. Bank in London tätig und kümmerte sich danach in erster Linie um die Bankgeschäfte der Fa. „Schoeller & Co.“. Nach dem Zerfall der Monarchie konzentrierten sich die Brüder v. a. auf das im Gebiet der Nachfolgestaaten liegende Vermögen des Hauses „Schoeller & Co.“ und optierten deshalb 1921 für die tschechoslowak. Staatsangehörigkeit. 1945 wurde der Familienbesitz in der Tschechoslowakei enteignet.

L.: N. Fr. Pr., 25. 6. 1905 und 19. 12. 1912; Tagesbote aus Mähren und Schlesien und NWT, 19. 12. 1912; Die Ind., 22. 12. 1912 und Festn. 1912, bes. S. 72; Großind. Österr. I, Bd. 4, S. 131, II, Bd. 3, S. 8; Wurzbach (s. u. Schoeller Philipp v.); H. Heller, Mährens Männer der Gegenwart 2, 1888, 4, 1890; A. V. Schoeller, Geschichte der Familie S., 1894, S. 67, 351; E. Deutsch, G. Ritter v. S., (1905); Protokolle der Sitzungen der Handels- und Gewerbekammer in Brünn … 1905, 1906, bes. S. LXI; Illustriertes österr.-ung. Ehren-Buch. Almanach der Mitgl. des k.-österr. Franz Joseph-Ordens, (1909); Der oesterr.-k. Orden der Eisernen Krone und seine Mitgl., 1912, S. 48 (mit Bild); H. Frh. v. Dumreicher, 100 Jahre Haus S., 2. Aufl. 1934, S. 31f. (mit Bild); H. Benedikt, A. v. Schoeller …, 1958, passim; HHStA, Wien. – Gustav (Philipp) und Friedrich (Leopold) v. S.: Wr. Ztg., 31. 1. 1950 (zu Gustav v. S.); profil, 17. 8. 1992 (mit Bildern); A. V. Schoeller, Geschichte der Familie S., 1894, S. 351; H. Frh. v. Dumreicher, 100 Jahre Haus S., 2. Aufl. 1934, S. 33, 42ff. (mit Bildern); Wer leitet? Die Männer der Wirtschaft und einschlägigen Verwaltung … 1941/42, (1942) (zu Friedrich v. S.); H. Benedikt, A. v. Schoeller …, 1958, S. 130 (zu Gustav v. S.); Evang. Pfarramt AB, Innere Stadt, Wien (zu Friedrich v. S.); KA Wien.
(E. Lebensaft)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 51, 1995), S. 20f.
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