Schoeller, Richard von (1871-1950), Industrieller

Schoeller Richard von, Industrieller. Geb. Groß-Čakowitz, Böhmen (Praha, Tschechien), 13. 8. 1871; gest. Wien, 22. 6. 1950. Enkel von Philipp Wilhelm d. Ä., Sohn von Philipp Johann, Neffe von Gustav, Bruder von Philipp Joseph (alle s. d.), Cousin von Gustav (Philipp) und Friedrich (Leopold) (beide s. u. Gustav v. S.), Onkel des Philipp Alois v. S. (s. u. Philipp Joseph v. S.); evang. AB. S., der die dt. Staats-Realschule in Prag absolv. und an der Ackerbauschule in Halle a. d. Saale stud., war zuerst v. a. in der böhm.- mähr. Zuckerind. tätig, ab 1900 Mitinhaber des Bank- und Großhandlungshauses „Schoeller & Co.“ in Wien, in dessen Rahmen er den industriellen Bereich und die Leitung des Stahlwerkes Ternitz übertragen erhielt, das den Kern der Stahlproduktion bildete. Bes. wichtig für die Expansion des Hauses S. auf dem Stahlsektor war der Exporterfolg, der nicht nur durch die Errichtung zahlreicher Niederlagen im Ausland, sondern sogar einer eigenen Verkaufstochter für den dt. Markt, der „Schoellerstahl Ges.m.b.H.“, sichtbar wurde. Ab der Jh.Wende war dadurch der Ankauf der Fürst Schwarzenbergschen Stahl- und Eisenwerke mit Hochöfen in Vordernberg und Trofaiach, Anteilen am Erzberg und mit Hammerwerken in Murau sowie Walzwerken in Unzmarkt möglich. Bis 1911 wurden diese zu kostspieligen Anlagen jedoch stillgelegt – ledigl. die Hütte Murau wurde bis 1923 als „Steirische Stahl- und Eisenwerke von Schoeller & Co.“ weitergeführt – und die Produktion zur Gänze auf das modernisierte Ternitzer Werk konzentriert, das dann im Ersten Weltkrieg fast ausschließl. Rüstungsprodukte erzeugte. Nach dem Tod Paul v. S.s stieg S. zum Chef über das Firmenimperium auf, das damit an die böhm.-mähr. Linie des Hauses S. überging. 1924 erfolgte die Fusion des ab 1920 wieder als AG geführten Ternitzer Werkes mit den Bleckmann-Werken zur Schoeller-Bleckmann Stahlwerke AG, an deren Spitze S. als Präs. stand. Auf dem Mühlensektor wurden die Schoellermühlen 1923 mit der kurz zuvor gegründeten Getreide AG vereinigt. Die Hütteldorfer Brauerei wurde 1926 mit den Vereinigten Brauereien von Schwechat, St. Marx und Simmering fusioniert und das Haus S. damit zu einem Großaktionär des größten österr. Brauereiunternehmens. S. hatte wie seine Vorgänger ebenfalls zahlreiche leitende Positionen in der österr. Ind. inne. So war er Präs. der Grazer Waggon-Fabrik und Vizepräs. der Lokomotivfabrik vorm. G. Sigl sowie der Vereinigten Brauereien AG., aber auch Mitgl. verschiedener Verwaltungsräte, so bei der Bodencreditanstalt, der Getreide AG und der Neuen Wr. Sparkasse sowie in zahlreichen Aufsichtsräten, u. a. bei der Veitscher Magnesitwerke AG und der Brauerei Schwechat. Bes. Verdienste erwarb er sich als Vizepräs. des Industriellen-Klubs und Präs. des Ind.Hausver. um den Bau des Hauses der Ind. in Wien, das 1911 eröff. wurde. Infolge gesundheitl. Probleme gab S. 1933 die Gesamtführung des Konzerns an seinen Neffen Philipp Alois v. S. ab.

L.: Die Presse, 24. 6., Die Ind., 1. 7. 1950; Jb. der Wr. Ges. 1929; H. Frh. v. Dumreicher, 100 Jahre Haus S., 2. Aufl. 1934, S. 32, 40, 44 (mit Bild); Wer leitet? Die Männer der Wirtschaft und einschlägigen Verwaltung … 1941/42, (1942); Die Geschichte des Hauses der Ind. Festansprache von F. J. Mayer-Gunthof … am 19. 4. 1956, (1956), S. 3ff., 8f.; Schoeller-Bleckmann. Ber. zum 100jähr. Bestand der Edelstahlwerke, o. J., S. 22; AVA, KA, beide Wien.
(Ch. Mentschl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 51, 1995), S. 27f.
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