Scholl, Franz (Arnold Wilhelm) von (1772-1838), Feldmarschalleutnant und Festungstechniker

Scholl Franz (Arnold Wilhelm) von, General und Festungstechniker. Geb. Reichsstadt Aachen (Deutschland), 8. 1. 1772 (Taufdatum); gest. Verona, Venetien (Italien), 3. 9. 1838. Sohn eines Geometers und Kartographen, Vater des Heinrich Frh. v. S., Schwiegervater von A. Frh. v. Henikstein (beide s. d.). Trat entgegen väterl. Wünschen 1796 als Kadett in das Ing.Korps der k. Armee ein, wurde 1797 Oblt., 1802 Kapitänlt., 1807 Hptm., 1809 Mjr., 1814 Obstlt., 1820 Obst., 1830 GM und 1837 FML. In den krieger. Auseinandersetzungen mit Frankreich eingesetzt, kämpfte er 1797/98 bei der Rheinarmee, 1809 in Italien, Österr. und Ungarn, 1813 sowie 1814 in Deutschland und Frankreich, 1815 als Chef des Gen.Stabs im französ. Raum und gehörte 1821 als Feldgeniedir. der Okkupationsarmee in Neapel an. Dazwischen diente er beim Geniehauptamt, mappierte 1803–08 bei der Landesaufnahme in Venetien, der Stmk. sowie Triest und wirkte ab 1810 als Lokalgeniedir. im ung. Raum, ab 1814 in Venetien. S., der sich seit Beginn seiner Dienstzeit mit dem Geniewesen befaßt, schon 1805 nach eigenen Planungen Feldbefestigungen, u. a. in Venedig sowie Prewald (Prävali/Prevalje), und 1807 als sein erstes permanentes Werk eine Batterie in Triest errichtet hatte, war zu einem anerkannten Fachmann geworden und erhielt 1818 die Berufung an die Theresian. Militärakad. in Wr. Neustadt als Prof. der Befestigungsbaukunst. Da er sich jedoch mit dem dortigen Festhalten an starren Systemen nicht identifizieren konnte, kam ihm die im selben Jahr erfolgte Bestellung zum Präses der mit der Projektierung einer Festung des Dt. Bundes um Ulm betrauten Militärkomm. sehr gelegen. Im Zusammenhang damit schrieb er sein erst postum veröff. theoret. Hauptwerk. Das Projekt Ulm wurde zwar zurückgestellt, aber nach kurzer Verwendung als Distriktsdir. in Mailand und der 1824 erfolgten Überstellung zur Militärkomm. des Dt. Bundes leitete er ab 1825 nach einem 1820 durch die Komm. erstellten Gen.Plan den Ausbau der Anlagen um Mainz und realisierte damit das erste verschanzte Lager im Sicherheitssystem dieser Institution. Nach Beendigung dieser Aufgabe wieder im italien. Raum eingesetzt, leitete er ab 1833 als Befestigungsbaudir. die fortifikator. Verstärkung am linken Etschufer in Verona und erhielt im selben Jahr die Oberleitung der neuen Großanlage im Brixner Raum (seit 1838 Franzensfeste) zur Verteidigung der Verbindung über den Brenner, ins Pustertal und gegen Süden, 1834 auch jene über die Errichtung der Straßensperre bei Nauders. Der Anteil der bauführenden Ing.-Off. an den beiden letzteren Objekten dürfte jedoch größer als bisher angenommen sein. Dank seiner Verdienste um das Geniewesen fand S. vielfach Anerkennung, so durch zahlreiche in- und ausländ. Ausz. und die Nob. 1833. Den ihm durch die zwei Wochen vor seinem Tod erfolgte Verleihung des Kommandeurkreuzes des k. österr. Leopold-Ordens zustehenden Frh.Titel erhielt erst sein Sohn. S. beeinflußte in der Zeit des Überganges vom traditionellen Bastionärsystem zu den modernen Erfordernissen besser angepaßten Polygonal- bzw. Lagerfestungen nachhaltig die fortifikator. Aktivitäten Österr. sowie des Dt. Bundes. Obwohl dem sog. neupreuß. System zugeneigt und als einer seiner bedeutendsten Vertreter eingeordnet, fand er zu jeweils individuellen Lösungen. Trotzdem ist er nicht, wie manchmal geschehen, als Schöpfer eines neuösterr. Systems einzustufen, lehnte er doch selbst ein Arbeiten nach fixen Modellen ab und sah nur in den jeweiligen Terrainverhältnissen sowie den speziellen Aufgaben angepaßten Objekten die Voraussetzung für eine zielführende Verteidigung. Neuerungen gegenüber aufgeschlossen, legte er 1809 bei der Sicherung von Prewald sog. Jägergräben an, Vorläufer der späteren Schützengräben, und erwog schon 1819 die Panzerung von Kasematten, ein Gedanke, der erst im letzten Viertel des 19. Jh. Verwirklichung fand. Den Namen dieses bedeutenden Festungstechnikers hält das Werk „Scholl“ in Verona lebendig.

W.: mehrere Festungspläne, u. a. für die Franzensfeste, sowie Manuskripte, alle KA Wien. – Publ.: Fortificator. Denkschrift, in: Mitth. des k. k. Génie-Comité über Gegenstände der Ing.- und Kriegswiss., 1869.
L.: Gatti 1, S. 388; Wurzbach; Oesterr. Soldatenfreund 6, 1853, S. 417ff., 425f., 433ff., 441f., 449f.; W. v. Wurzbach, J. Kriehuber und die Wr. Ges. seiner Zeit 1, 2. Aufl. 1955, S. 342; Ch. Hackelsberger, Das k. k. österr. Festungsviereck in Lombardo-Venetien, 1980, S. 32f.; ders., Die k. k. Franzensfeste, 1986; F. Forstner, Przemyśl (= Militärgeschichtl. Diss. österr. Univ. 7), (1987), S. 63, 76ff.; L. V. Bozzetto, in: Il Veneto e l’Austria, Verona 1989, S. 396ff. (Kat.); B. M. Buchmann, Militär – Diplomatie – Politik (= Europ. Hochschulschriften, R. 3, 498), 1991, S. 57f.; L. V. Bozzetto, Verona … , 1993, bes. S. 121, 162ff. (mit Bild); E. Hillbrand, in: Stadt – Burg – Festung (= Veröff. des Innsbrucker Stadtarchivs, NF 21), 1994, S. 257ff.; AVA, KA, beide Wien.
(F. Hillbrand-Grill)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 52, 1997), S. 116f.
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