Scholl, Joseph (1805-1884), Politiker und Jurist

Scholl Joseph, Politiker und Jurist. Geb. Regio oder Rea (?), Venetien (Italien), 1804 oder 1805; gest. Graz (Stmk.), 12. 12. 1884. Sohn eines niederen Staatsbeamten. S. verbrachte seine frühe Jugendzeit in Villach. Nach dem Besuch des Klagenfurter Gymn. stud. S. 1826–29 an der Univ. Graz Jus, 1829 Dr. jur., und trat 1834 bei der Hof- und Kammerprokuratur als Konzeptspraktikant ein. 1836 wurde er zur Kammerprokuratur nach Lemberg (L’viv) versetzt, wo er als Aushilfsreferent (bis 1839), Fiskal-Aktuar (bis 1841) und Fiskal-Adjunkt (bis 1847) tätig war. 1847 erfolgte seine Versetzung als Landrat zum Gefällen-Bez.Gericht bzw. Landrecht in Tarnów. Während eines Urlaubs in Villach wurde er 1848 im dortigen Wahlbez. für den Reichstag nominiert und nach dem Verzicht J. Schlegels (s. d.) mit dem Mandat betraut. S. wirkte insbes. im Verfassungsausschuß mit, für den er auch als Referent fungierte. Hier setzte er sich u. a. bes. für die Unabhängigkeit Kärntens ein. Weiters war S. Mitgl. der Redaktionskomm. für die stenograph. Protokolle und fungierte als Abt.Referent. Ende September 1848 trat er dem „Zentrumklub“ bei und gehörte im Dezember dieses Jahres der Reichstagsdeputation nach Olmütz (Olomouc) und Prag an. Nach der Auflösung des Reichstags 1849 zog sich S. aus der Politik zurück und wurde dem nö. Appellationsgericht zugeteilt. 1850 erfolgte seine Versetzung als OLGR zum Oberlandesgericht Linz. 1854 zum Präs. des neu organisierten Kreisgerichtes Korneuburg berufen, erhielt S. bei seinem Abschied 1864 das Ehrenbürgerrecht der Stadt verliehen und wechselte im selben Jahr auf den Posten des 2. Vizepräs. des Landesgerichts Wien, wo er auch Vors. des Zivilsenats war. 1870 wurde er zum HR und 1872 zum 1. Vizepräs. des Wr. Landesgerichts ernannt. Wegen seiner geschwächten Gesundheit ersuchte S. 1873 um vorzeitige Versetzung i. R. Er wurde mit dem Ritterkreuz des Leopold-Ordens ausgez.

L.: Jurist. Bll. 13, 1884, S. 611; Allg. Juristen-Ztg., 18. 1. 1885; Protokolle des Verfassungs-Ausschusses im Oesterr. Reichstage 1848–49, hrsg. von A. Springer, 1885, passim; A. Starzer, Geschichte der landesfürstl. Stadt Korneuburg, 1899, s. Reg.; A. Fischel, Die Protokolle des Verfassungsausschusses über die Grundrechte. Ein Beitr. zur Geschichte des österr. Reichstags vom Jahre 1848, 1912, passim; W. Wadl, in: Neues aus Alt-Villach (= Mus. der Stadt Villach, 20. Jb.), 1983, S. 99ff.; ders., in: Carinthia I, 173, 1983, S. 394; O. Cap, 130 Jahre Kreisgericht Korneuburg – 115 Jahre Sparkasse der Stadt Korneuburg, (1984), bes. S. 67; G. Asmera, Der Reichstag 1848 in Wien und seine polit. Gruppierungen 1, phil. Diss. Wien, 1985, S. 103; M. Wutte, Kärntens Freiheitskampf 1918–20 (= Archiv für vaterländ. Geschichte und Topographie 69), Neudruck der 2. Aufl. 1985, S. 24f.; AVA, HHStA, beide Wien; Stadtarchiv, UA, beide Graz, Stmk.
(R. Mannhard)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 52, 1997), S. 118f.
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